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Sigmar Gabriel : Der Mann für die Energiewende

  • -Aktualisiert am

Sigmar Gabriel wird Minister für Wirtschaft und Energie Bild: REUTERS

Bislang war das Wirtschaftsministerium nur selten federführend zuständig für ein Gesetzesvorhaben. Jetzt zieht der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel als Superminister ein – und will dem Ministerium zu einer neuen Rolle verhelfen.

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          Die Berliner Spatzen hatten es von den Dächern gepfiffen, dass Sigmar Gabriel Superminister werden wolle – und zwar für Wirtschaft und Energie. Bis zuletzt blieb jedoch ein leiser Zweifel, ob er nicht doch noch den Fraktionsvorsitz oder das Finanzministerium für sich zu reklamieren würde. Nun aber ist klar: Der SPD-Vorsitzende wird in das ehrwürdige Wirtschaftsministerium an der Scharnhorststraße ziehen und ihm zu einer neuen Rolle innerhalb des Kabinettgefüges verhelfen.

          Andreas Mihm
          Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

          Bislang ist das Wirtschaftsministerium nur selten federführend zuständig für ein Gesetzesvorhaben. Es hat zwar sieben Fachabteilungen, aber wenig zu melden. Weil Gabriel sich als Vizekanzler und Parteichef nicht zufrieden geben konnte mit einem derart schwachen Haus, bediente er sich beim Umweltministerium in Sachen Energie. Künftig wird das Wirtschaftsministerium für die komplette Energiewende zuständig sein, nicht mehr nur für den Netzausbau. Und da das Management der Energiewende das zentrale Projekt der nächsten vier Jahre werden dürfte, steht das Ministerium im regierungsinternen Machtgefüge nun viel mächtiger da als zuvor.

          Die Beamten im Wirtschaftsministerium blicken Gabriel mit gemischten Gefühlen entgegen. Der rhetorisch begabte Niedersachse mit der Fähigkeit zum schlagfertigen Witz gilt nicht gerade als ausgewiesener Ordnungspolitiker. In einem häufig von FDP-Ministern geführten Haus dürften deshalb einige skeptisch sein gegenüber Gabriel, der seine Partei wieder etwas wegrückte von der Agenda 2010. Durch die Art und Weise, wie er die SPD durch die Koalitionsverhandlungen lotste, hat er sich jedoch Respekt erworben. Und wenn das Wirtschaftsministerium dank des neuen Ressortzuschnitts aus dem Dämmerschlaf gerissen wird, dürfte das vielen im Haus nur recht sein.

          Alter und neuer Hoffnungsträger

          Gabriel, 54 Jahre alt, stammt aus Goslar, wo er heute noch lebt, wenn er nicht in Berlin ist. Er wuchs zunächst bei seinem Vater auf, später kam er zur Mutter, von der er, wie er einst sagte, seinen Gerechtigkeitssinn geerbt habe. Er studierte Deutsch, Politik und Soziologie auf Lehramt und arbeitete kurz als Lehrer für das Bildungswerk der Niedersächsischen Volkshochschule. Doch schon 1990 ging Gabriel, SPD-Mitglied seit 1977, hauptberuflich in die Politik. Sein Aufstieg verlief zunächst gradlinig: Kreis- und Landtagsabgeordneter, dann Fraktionsvorsitzender der SPD im niedersächsischen Landtag. 1999 stieg er zum Ministerpräsidenten auf – nachdem Gerhard Schröder als Kanzler nach Berlin gegangen und dessen eigentlicher Nachfolger Gerhard Glogowski über eine Affäre gestolpert war. Danach aber bekam Gabriels Karriere einen Knick. Die Landtagswahl 2003 verlor er deutlich. Hohn und Spott erntete er, als er zum „Pop-Beauftragten“ der SPD ernannt wurde. Doch der selbstbewusste Gabriel berappelte sich, gewann bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 ein Direktmandat und wurde Umweltminister im ersten Kabinett Merkel. Nach der desaströsen Wahlniederlage der SPD 2009 wählten die Genossen Gabriel als alten und neuen Hoffnungsträger an die Spitze.

          Schon in der Vergangenheit hat der Vater einer kleinen Tochter sich den Ruf erworben, dass er zwar flammende Reden halten, aber auch den Pragmatiker geben kann. Auch als Wirtschaftsminister dürfte er eher erdnah agieren. Es ist anzunehmen, dass er einen Schwerpunkt auf die strategische Industriepolitik legen wird. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir treten für eine strategische Innovationspolitik ein, die von Deutschlands traditionellen industriellen Kernkompetenzen ausgeht.“ Eine Reihe von Leitmärkten, denen besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, wurde festgeschrieben – darunter der Maschinenbau, die Gesundheitswirtschaft oder die Elektromobilität. Gabriels Vorgänger, Philipp Rösler (FDP), hat vor allem am Ende seiner Amtszeit ein besonderes Faible für das Thema Start-Ups und Gründer an den Tag gelegt. Auch wenn im Koalitionsvertrag eine „Neue Gründerzeit“ angemahnt wird, spricht viel dafür, dass Gabriel sich stärker der Industrie als den „hippen“ High-Tech-Gründern zuwenden wird.

          Am meisten beschäftigten dürfte Gabriel die Energiepolitik. Deshalb wird schon spekuliert, wen er als Staatssekretär mit der „richtigen“ Arbeit betrauen könnte. Manch einem kommt der gerade aus Erfurt (als Europawahlkampf-Manager der SPD) nach Berlin zurückgekehrte Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig in Erinnerung. Nicht nur, weil er im Umweltministerium schon einmal Gabriel als Staatssekretär unterstützt hat, sondern auch weil der tatkräftige Machnig sich in der Energiepolitik auskennt. Dies und einen guten Draht zu den Ländern wird jeder nötig haben, der die Ankündigungen der Koalition halbwegs ernst nimmt: Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) mit Kabinettsentscheidung bis Ostern, Ausbau der länderübergreifenden Stromnetze und Sicherstellung eines Mindestmaßes an Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken.

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