Schwarz-rote Wirtschaftspolitik : Die große Koalition der Restauration
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Einig: Die Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) vergangenen Montag bei der Unterschrift des Koalitionsvertrags Bild: dpa
Die deutsche Politik hat vergessen, warum die Reformen der Regierung Schröder nötig waren. Nun droht die große Koalition das Erreichte wieder zu verspielen, schreiben die Ökonomen Lars Feld und Benjamin Weigert in einem Gastbeitrag für die F.A.Z.
Bundeskanzlerin Merkel ist wiedergewählt. Doch führt sie keine große Koalition der Reformen. CDU/CSU und SPD schicken sich mit ihrem wirtschafts- und finanzpolitischen Programm an, in die Vor-Agenda-Zeit zurückzufallen. Das Erreichte droht verspielt zu werden. Die deutsche Politik hat offenbar vergessen, warum die rot-grünen Reformen der Regierung Schröder in der Steuer-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik nötig waren. Seit der Vollbeschäftigung der siebziger Jahre stieg die Arbeitslosigkeit über jeden Konjunkturzyklus weiter an. So verfestigte sie sich: Dies galt für den ersten und zweiten Ölpreisschock genauso wie für die Rezession nach der Wiedervereinigung. Bis 2005 erhöhte sich so die Anzahl der Arbeitslosen auf 4,86 Millionen – von 2,6 Millionen im Jahr 1991.
Wesentliche Ursache war die falsche Lohnpolitik der Tarifparteien. Sie traf insbesondere die Geringqualifizierten. Hinzu traten steigende Sozialversicherungsbeiträge, eine Folge des demographischen Wandels, der höheren Arbeitslosigkeit und der Programme zur Frühverrentung sowie der hohen Einkommen- und Unternehmensteuersätze. Investieren lohnte sich für die Unternehmen immer weniger. Deutschland wurde zum kranken Mann Europas. Um die Jahrtausendwende reagierte man auf diese ungünstige Entwicklung. Am Anfang standen die moderaten Tariflohnabschlüsse der Jahre 2000 bis 2007, wodurch sich die Gewinnsituation der Unternehmen deutlich besserte. Mit Schröders Agenda 2010 gelang es dann vollends, die ungünstige Arbeitsmarktentwicklung zu durchbrechen. Die Beschäftigungsgewinne und der damit einhergehende Abbau der Arbeitslosigkeit erreichte so auch die Geringqualifizierten.
Die Ungleichheit ging leicht zurück
Parallel dazu wirkten sich die Steuerreformen der Regierung Schröder aus. Sie entlasteten die Steuerzahler erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg real bei der Einkommensteuer und die Unternehmen bei der Körperschaftsteuer. Zusammen mit der vierten Stufe der Hartz-Reformen trat das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz in Kraft. Es war ein wesentlicher Schritt, um die gesetzlichen Rentenversicherung demographiefest zu machen, etwa mittels geringerer Rentensteigerungen. Die große Koalition vervollständigte von 2005 an die Reformen mit der Einführung der Rente mit 67 und den einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Erfolg dieser Politik ist rückblickend erstaunlich. In den Jahren 2006 und 2007 stieg das Bruttoinlandsprodukt um 3,7 und 3,3 Prozent; nach dem mit 5,1 Prozent kräftigen Wirtschaftseinbruch des Jahres 2009 wurden 2010 und 2011 wieder Zuwachsraten von 4 und 3,3 Prozent erreicht. Die Arbeitslosigkeit sank 2012 auf 2,9 Millionen. Zum ersten Mal seit den siebziger Jahre verringerte sich auch die Sockelarbeitslosigkeit. Die Sozialversicherungen kamen ins Gleichgewicht. Die Rentenversicherung bildete Überschüsse, sodass der Beitragssatz von 19,9 Prozent (2007) auf zuletzt 18,9 Prozent gesenkt werden konnte. Die Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung führten zu stärkerem Wettbewerb zwischen den Kassen und zwangen sie zu größerer Wirtschaftlichkeit. Zusammen mit höheren Strafen und Kontrollen gelang es so, die über viele Jahre gestiegene Schwarzarbeit nahezu zu halbieren.