Russischer Importstopp : Vergeltung mit dem Bumerang
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In diesem Supermarkt in Moskau, hier auf einer Archiv-Aufnahme, dürften die Lebensmittel bald teurer sein - wegen des russischen Importstopps für Agrarprodukte aus der EU und Amerika Bild: AFP
Mit dem Einfuhrverbot für Agrarprodukte aus der EU und Amerika droht den Menschen in Russland eine Preisexplosion. Denn das Land importiert mehr als die Hälfte aller Lebensmittel aus dem Ausland.
Russland hat die Liste der Waren vorgelegt, die als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen des Westens nicht mehr von dort eingeführt werden dürfen. Zudem erwägt Moskau nach den Worten von Ministerpräsident Dmitri Medwedew ein Überflugverbot für Fluggesellschaften aus den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union auf dem Weg nach Asien.
Medwedew erklärte, ab sofort dürften Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch sowie Milch und Molkereiprodukte nicht mehr importiert
werden. Die Einfuhrverbote gelten für Produkte aus den Vereinigten Staaten, Kanada, Norwegen, Australien und der EU. Und sie gelten für ein Jahr.
Der Schritt ist gerade für die russische Regierung heikel, denn er trifft die eigene Bevölkerung. Nicht ohne Hintergedanken hat Staatspräsident Wladimir Putin in seinem entsprechenden Dekret geschrieben, der Anstieg von Preisen müssen verhindert und Maßnahmen ergriffen werden, um die Versorgung mit im eigenen Land hergestellten Gütern zu verbessern.
Die russische Agrarwirtschaft hat auch mehr als 20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion noch nicht das Potential, den heimischen Markt mit genügend Produkten zu versorgen, die qualitativ oder preislich mit der ausländischen Konkurrenz mithalten können. Nach Angaben der Moskauer Universität importiert Russland etwa 53 Prozent aller Lebensmittel. Laut Zollangaben sind das vor allem Fleisch, Früchte und Milchprodukte. Der Wert aller Agrarimporte belief sich im vergangenen Jahr auf 43,1 Milliarden Dollar.
Die EU hat einen weitaus größeren Anteil an diesen Zulieferungen als Amerika. Laut Eurostat exportierte sie 2013 Agrargüter im Wert von 11,8 Milliarden Euro nach Russland. Das waren zwar weniger als ein Prozent aller EU-Ausfuhren insgesamt, aber innerhalb des Agrarsegments ist Russland von großer Bedeutung: Nach Daten von 2012 waren nur die Vereinigten Staaten mit Einfuhren von 15,1 Milliarden Euro aus der EU wichtiger als Russland.
Schon länger Importverbote für bestimmte Lebensmittel
Gegen Schweinefleisch aus der EU hat Moskau bereits vor einiger Zeit einen Importstopp erlassen, der Streitfall liegt bei der Welthandelsorganisation (WTO). Jüngst kam auch polnisches Obst und Gemüse auf die russische Verbotsliste, was in Warschau sehr ungnädig aufgenommen wurde. Auch Produkte aus der Ukraine oder der Moldau werden immer öfter gesperrt.
So ergibt es auch gewissen Sinn, dass von den russischen Behörden schon am gestrigen Mittwoch ebenfalls verlautete, mehr Lebensmittelimporte aus der Türkei, Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern anzustreben. Doch je mehr Lebensmittel und Agrarprodukte der Kreml kurzfristig aus den Regalen der russischen Supermärkte verbannt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden für die ausländischen Hersteller sich gegenüber den negativen Folgen für die heimische Bevölkerung wie ein reiner Kollateralschaden ausnimmt.
Es droht ein Preisschub für heimische Produkte. Die Inflationsrate liegt bereits jetzt bei 7,5 Prozent, und die Lebensmittel-Komponente hat großen Anteil daran. So besteht nicht zuletzt die Gefahr, dass ausgerechnet die freiwillige Restriktion von Lebensmittelimporten, die beim besten Willen nicht als westliche Aggression hingestellt werden kann, in der Bevölkerung Unmut gegen Putin schürt.