Platzmangel in der Großstadt : Her mit den Wohnungen!
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Kaum fertig, schon belegt: Frankfurts neuer Stadtteil Riedberg Bild: Dieter Rüchel
Von wegen Landlust: Alle wollen in der Großstadt leben. Aber wo, um Himmels willen, sollen die Leute Platz finden? In Frankfurt zeigt sich das ganze Dilemma.
So weit ist es gekommen. Sogar ein uraltes Gewerbe ist nicht mehr sicher in Frankfurt. Das Bordell „Sudfass“, eine am Mainufer gelegene Institution, wird geschleift. Für Wohnungen. Das geplante „Quartier Oskar“ soll hundert Appartements bekommen, eventuell ein Boardinghaus für Frankfurt-Besucher, die länger als ein paar Nächte bleiben.
Ist das schon die Gentrifizierung des Frankfurter Ostends? Viele warten darauf. Denn in diesem Viertel wird gerade die Europäische Zentralbank fertig gebaut. In dem Turm sollen bis zu 3000 Leute Platz finden. Der Bordellverwalter Fred Siegismund spottet: Wegen der Wegbeschreibung „Hinterm Puff rechts liegt die EZB“ habe man wohl um das Image der Notenbank gefürchtet. Die Vertreibung des Eros-Centers zeigt: Selbst in Frankfurt, dem hässlichen Entlein unter den deutschen Großstädten, drängen die Wohnungssuchenden mit Macht auf den Markt. Hier fehlen 10.000 Wohnungen oder 20.000, je nach Studie. Konsens besteht nur über eine Tatsache: Frankfurt ist begehrt wie nie zuvor.
Binnen zehn Jahren ist die Einwohnerzahl der Stadt um knapp acht Prozent gewachsen auf mehr als 700.000. Damit fügt sich die Stadt ein in einen neuen deutschen Urbanisierungstrend: Nach einer Phase der Wegzüge in die Vorstädte jenseits der Stadtgrenze nimmt die Großstadtbevölkerung seit der Jahrtausendwende zu. Von 2000 bis heute sind in die sechs Städte München, Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und Stuttgart zusammen gut eine halbe Million zusätzliche Einwohner gekommen.
Junge Familien wollen in der Stadt bleiben
Schuld daran sind auch Babys. Frankfurt erlebt, ebenfalls im Einklang mit anderen begehrten Großstädten, seit sechs Jahren einen Geburtenüberschuss: mehr Geburten als Todesfälle. „Es werden so viele Babys geboren, wie seit Ende der 60er Jahre nicht mehr“, jubelt die Stadt. Der Babyüberschuss ist nicht gewaltig, 2011 betrug er 600. Aber er zeigt, dass sich ein neuer gesellschaftlicher Trend breitmacht, der die Demographie der Großstädte vom Rest der Republik abkoppelt. Frankfurt mehrt sich, während in Deutschland die Geburtenzahl auf den niedrigsten Stand zurückfiel. „Die Kinder der Zukunft werden in den Städten geboren“, frohlockt der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann.
Der Babyboom findet seine Ursache nicht in der Lust der Frankfurter auf Babys. Es läuft eher so, wie es der ehemalige Frankfurter Planungsdezernent Martin Wentz plastisch beschreibt: Junge Leute ziehen für Studium oder Beruf nach Frankfurt, etablieren sich in der Firma. Sie paaren sich. Sie vermehren sich. Alles wie gehabt. Neu aber ist, dass junge Familien nicht mehr zwangsläufig ins Grüne verduften. Immer mehr wollen in der Stadt bleiben. „Die Leute sind die Entfernungen und die Spritkosten leid“, sagt Frank Junker, als Chef der städtischen ABG Holding Frankurts größter Vermieter.
Die Stadt hat heute offenbar auch bessere Antworten auf den gesellschaftlichen Wandel als das Dorf. In immer mehr Familien wollen oder müssen beide Eltern arbeiten. Das gelingt leichter in Ballungsräumen mit ihren im Vergleich zum Land guten Job- und Betreuungsangeboten.