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Plan gegen Steuerflucht : OECD will „Tod der Briefkastenfirmen“

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„Das ist das Aus für Steuertricks und Briefkastenfirmen“, feiern die Initiatoren: „Das Versteckspiel hat ein Ende.“ Bild: Fabian Fiechter

Die Staatengemeinschaft will legale Steuer-Schlupflöcher für internationale Konzerne schließen. Sie sollen künftig nicht mehr Milliarden-Gewinne zwischen Ländern hin und her schieben und so ihre Steuerlast senken können.

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          Für internationale Konzerne wird es künftig schwieriger, mit Briefkastenfirmen und grenzüberschreitenden Transaktionen den Fiskus auszutricksen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) legte am Montag in Paris einen 15-Punkte-Plan gegen aggressive Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen vor. Der Plan habe letztlich „den Tod der Briefkastenfirmen“ zum Ziel, hieß es in der OECD.

          Damit sollen legale Schlupflöcher, die vor allem global agierende Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks zur Senkung ihrer Steuerlast legal nutzen, gestopft werden. Die OECD hatte 2012 von den G20-Staaten den Auftrag zur Entwicklung des Katalogs erhalten. Die Finanzminister der G-20-Staaten wollen das Paket diese Woche am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Lima beschließen. Gelingt seine Umsetzung, winken ihnen Milliardeneinnahmen.

          Wie drängend das Problem der Gewinnverschiebungen - das sogenannte Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) - durch die Konzerne mittlerweile ist, demonstriert die OECD an einer Zahl: Sie schätzt, dass durch das Ausnutzen der Unterschiede in den nationalen Steuersystemen weltweit bis zu 240 Milliarden Dollar im Jahr verloren gehen - das wären zehn Prozent aller Körperschaftsteuereinnahmen. Dies wollen die großen Wirtschaftsmächte nicht mehr hinnehmen.

          Multis erzielen zwar hohe Gewinne. Sie können aber Erlöse und Aktivitäten von Hochsteuer- in Tiefsteuerländern hin und herschieben, so dass sie kaum oder keine Ertragsteuer zahlen. Dabei nutzen sie international nicht abgestimmte Steuerregeln, Briefkastenfirmen und nationale Rabatte. Ziel von OECD und G20 ist es, dass dort, wo Geschäfte gemacht werden, auch angemessen Steuern anfallen.

          Dubiose „Verrechnungspreise“

          Jeder Unternehmensgewinn soll einmal nach üblichen Maßstäben versteuert werden. Es soll also sowohl eine Doppelbesteuerung als auch eine „Doppelt-Nicht-Besteuerung“ vermieden werden. Dazu ist geplant, dass Konzerntöchter ihre Gewinne nicht mehr durch überhöhte Zinsen für einen Kredit der Konzern-Mutter ins steuergünstigere Ausland verschieben können. Das gleiche gilt für die Preise, die sich Konzernteile gegenseitig in Rechnung stellen. Hier wird das Prinzip gestärkt, dass sich die „Verrechnungspreise“ an den Preisen orientieren müssen, die ein Dritter bezahlen müsste.

          Zudem werden einheitliche Regeln für Steuerprivilegien für Lizenzeinkünfte aufgestellt. Solche „Patentboxen“ im Steuerrecht darf es nur noch für Erträge aus Forschung geben, die das Unternehmen auch in dem Land getätigt hat. Bisher ist es ein beliebter Trick, Patente des Konzern auf ein Tochterunternehmen in einem Land mit Patentbox zu verlagern.

          Ins Visier nimmt die OECD aber auch Steuergestaltungen, die darauf abzielen, das keine klare Betriebsstätte mehr erkennbar ist - und damit kein Ansatzpunkt mehr für eine Besteuerung. Dazu sollen Doppelbesteuerungsabkommen angepasst werden. Das Problem der Betriebsstätte tritt zum Beispiel bei Online-Händlern auf, die in einem Land nur ein Versandlager betreiben. Bisher sind sie deshalb dort nicht steuerpflichtig. Künftig soll ein solches Auslieferungslager entsprechend seines Gewinnanteils als eine Betriebsstätte gelten.

          Die teilnehmenden Länder sollen dem Plan nach vermehrt Informationen austauschen, zum Beispiel über steuerliche Zusagen, die sie Unternehmen gemacht haben. Solche „Tax Rulings“ nimmt derzeit die EU-Kommission unter die Lupe, nachdem bekannt geworden war, dass Luxemburg, Irland und die Niederlande mit Konzernen besonders günstige Steuer-Deals abgeschlossen hatten. Multinationale Unternehmen sollen verpflichtet werden, standardisierte Angaben über zentrale Kennziffern wie Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter in den jeweiligen Ländern zu machen, die dann den dortigen Steuerbehörden zur Verfügung gestellt werden.

          Aber: Deutsches Finanzgericht hat internationalen Austausch von Steuerdaten gerade gestoppt

          Allerdings ist fraglich, ob die Justiz dabei mitmacht: Am Freitag erst hat das Finanzgericht Köln den weitreichenden Austausch von Steuerdaten, den Deutschland mit Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada und Australien vereinbart hatten, gestoppt. Die Richter untersagten dem Bundeszentralamt für Steuern bis auf weiteres, entsprechende Information den Behörden im Ausland zu liefern oder selbst solche Daten einzuholen. Der Informationsaustausch verstoße gegen das Steuergeheimnis, urteilten die Richter.

          Auch im amerikanischen Kongress regt sich erster Widerstand dagegen, solche Daten von amerikanischen Konzernen Steuerbehörden im Ausland zur Verfügung zu stellen. Auch über andere Punkte des Aktionsplans dürfte weiter diskutiert werden. So wenden erste Kritiker ein, dass die Patentbox-Regel zur Folge haben könnte, dass zwar nicht mehr die Patente ins Ausland verschoben würden, sondern stattdessen gleich die gesamte Forschungsabteilung.

          Der Aktionsplan gegen legale Steuertricks: Die wichtigsten Punkte

          Schaden: Die Mindereinnahmen durch Gewinnverschiebungen - das "Base Erosion and Profit Shifting" (BEPS) - werden Schätzungen zufolge auf 4 bis 10 Prozent der globalen Körperschaftsteuereinnahmen beziffert. Das wären jährlich 100 bis 240 Milliarden Dollar.

          Internetwirtschaft: Eine strikte Trennung der digitalen von der übrigen Wirtschaft ist nicht möglich - auf Sonderregeln für Internet-Firmen und Onlinehändler wird verzichtet. Es soll aber unter anderem der "Betriebsstättenbegriff" angepasst werden.

          Informationsaustausch: Multinationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro müssen Finanzbehörden bestimmte Daten mitteilen. Es geht um Einkünfte, Steuerzahlungen, Zahl der Beschäftigten, ausgewiesenes Kapital, einbehaltene Gewinne und Vermögenswerte in Staaten, wo sie geschäftlich tätig sind. Sensible Daten sollen diese "Country-by-Country-Reports", die die Länder untereinander austauschen, aber nicht enthalten.

          Patentboxen: Schädliche Steuerpraktiken, die Briefkastenfirmen befördern, sollen vermieden werden. Hier geht es um Steuerrabatte, mit denen Lizenzeinkünfte begünstigt werden ("Patentboxen"). Dieses Privileg darf künftig nur noch gewährt werden, wenn das Unternehmen dort auch wirklich forscht und entwickelt. Auch sollen steuerliche Vorab-Zusagen von Ländern an Konzerne ("Tax rulings") zur Begünstigung transparent gemacht werden für andere Staaten.

          Missbrauch: Weltweit gibt es etwa 3000 Doppelbesteuerungsabkommen. Damit soll vermieden werden, dass mehrere Staaten dieselben Einkünfte besteuern. Konzerne nutzen aber die unterschiedlichen Bestimmungen in diesen bilateralen Abkommen aus, um letztlich in keinem Land Steuern zu zahlen. Ein solcher Missbrauch soll eingedämmt werden - etwa über Mindeststandards.

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