Pharma-Gesetz : Kanzleramt lässt höhere Preise für Medikamente zu
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Eigentlich wollten Union und SPD die Medikamenten-Preise weiter streng regulieren. Aber diese Pläne hat das Kanzleramt gestoppt. Jetzt ist offen, wann die Regelung kommt.
Noch vor ihrem für nächste Woche erwarteten Amtsantritt hat die große Koalition den ersten Konflikt. Das Kanzleramt hat die im Koalitionsvertrag von Union und SPD verabredeten Pläne gestoppt, die Pharmapreise ab Januar weiter streng zu regulieren. Damit sind Millionen Euro umfassende Zwangsrabatte und die Fortsetzung des Verbots von Preiserhöhungen erst einmal vom Tisch. Allerdings will die SPD das nicht akzeptieren. „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagten mit der Angelegenheit Vertraute der Fraktion dieser Zeitung.
Das Kanzleramt hatte die Vorbereitungen unterbrochen, noch in der kommenden Woche ein Pharma-Gesetz in den Bundestag einzubringen. Mit der Rechtsänderung sollte verhindert werden, dass der Zwangsrabatt zum Jahreswechsel – wie gesetzlich bislang vorgeschrieben – von 16 Prozent auf 6 Prozent sinkt und zugleich das Verbot von Preiserhöhungen aufgehoben wird. Passiert nichts, könnten die Unternehmen zu Jahresbeginn erstmals seit 2010 wieder die Preise für patentgeschützte Arzneimittel erhöhen und nur noch den Rabatt in der alten Höhe von 6 Prozent abführen.
Probleme wegen terminlicher Schwierigkeiten
Die Koalition will dagegen den Rabatt von 2014 an auf 7 Prozent senken und das Verbot von Preiserhöhungen unbegrenzt fortschreiben. Dabei geht es um viel Geld. Die Verhandlungsführer für Gesundheit von Union und SPD, Jens Spahn und Karl Lauterbach, hatten die Einsparungen der Kassen auf 500 bis 700 Millionen Euro im nächsten Jahr beziffert.
Die aktuellen Probleme sind allerdings nicht durch inhaltliche Differenzen, sondern durch terminliche Schwierigkeiten begründet, wie mehrere an dem Verfahren Beteiligte dieser Zeitung bestätigten. Da die Regierungsbildung, so sie wie erwartet am kommenden Dienstag abgeschlossen wird, sehr lange gedauert hat, bleibt nicht mehr ausreichend Zeit, neue Gesetze bis zum Jahresende rechtssicher zu verabschieden. Schon beim anstehenden Verfahren zur Verhinderung der zum Jahreswechsel anstehenden Beitragssatzsenkung in der Rentenversicherung gab es verfassungsrechtliche Bedenken. Denn der Bundestag kann das Gesetz dieses Jahr nur noch in erster Lesung verabschieden. Die für einen rechtsförmigen Beschluss notwendige zweite und dritte Lesung des Parlaments soll nächstes Jahr stattfinden, das Gesetz aber rückwirkend zum Januar in Kraft treten.
Offenbar gab es in der Regierung Besorgnis, dass man dieses Verfahren nicht „überstrapazieren“ dürfe. Deshalb habe das Kanzleramt dafür gesorgt, dass das Gesundheitsministerium Wünschen der Fraktionen nach Vorlage von „Formulierungshilfen“ nicht nachgekommen sei. Damit hätten die Fraktionen das Gesetz ohne einen Kabinettsbeschluss als „Fraktionsentwurf“ in den Bundestag einbringe können. Das bedeute aber nicht, dass die Fraktionen in der Sache machtlos seien, hieß es in der SPD. Endgültig sei nichts gestoppt.
Auch wenn niemand bezweifelt, dass im nächsten Jahr eine dem Koalitionsvertrag entsprechende Regelung beschlossen werden wird, bleibt die Frage offen, ab wann sie denn gelten würde. Manche in der Pharmabranche verbinden mit der Verschiebung und Verzögerung die Hoffnung, dass eine abermalige Debatte über die Rechtmäßigkeit von Zwangsrabatten und vor allem über das Verbot von Preisanpassungen zu weniger scharfen Eingriffen führen könnte.
Die Pharmabranche hat lange gegen den Zwangsrabatt opponiert. Denn die Begründung dafür – die Kassen benötigten das Geld – sei unzutreffend. Tatsächlich hat das Gesundheitssystem Finanzreserven von rund 27 Milliarden Euro angehäuft, allein 17 Milliarden die Krankenkassen. Allerdings sehen sie die Reserven schnell dahinschmelzen, nicht zuletzt wegen der in diesem Jahr schon wieder ansteigenden Ausgaben für Arzneimittel.