Neuer ZEW-Chef : Kein Mindestlohn und billige Praktika für Flüchtlinge
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„Keine Dauerlösung, sondern der Schritt in den Arbeitsmarkt hinein“, soll Achim Wambach zufolge der Verzicht auf den Mindestlohn bei Flüchtlingen sein. Bild: dpa
Kaum gibt es Pläne für ein neues Integrationsgesetz, kommen Vorschläge aus der Wissenschaft, wie es noch weiter gehen könnte: Der neue ZEW-Chef Wambach will den Mindestlohn für Flüchtlinge komplett aussetzen, billige Praktika und Teilausbildungen.
Die neue Einigung der Koalition, ein Integrationsgesetz für Flüchtlinge auf den Weg zu bringen, will das von den Hartz-Reformen bekannte Prinzip des Förderns und Forderns stärker aufgreifen. Doch nicht allen Fachleuten geht das weit genug. Der neue Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, zählt dazu, wie aus einem aktuellen Interview hervorgeht.
„Eine temporäre Aufhebung des Mindestlohns, um diese Menschen in Arbeit zu bringen, begleitet von Sprachkursen und anderen Qualifikationsmaßnahmen, ist sinnvoll“, sagte Wambach, der Nachrichtenagentur dpa in Mannheim. „Das soll keine Dauerlösung sein, sondern der Schritt in den Arbeitsmarkt hinein.“
Das geplante Integrationsgesetz soll tatsächlich durchaus schon in diese Richtung gehen: Es wird Unternehmen voraussichtlich auch einen Weg eröffnen, anerkannte Flüchtlinge unterhalb des Mindestlohns zu beschäftigen – allerdings nur zu bestimmten Bedingungen. Zeiten der Teilnahme an Fördermaßnahmen während des Asylverfahrens sollen dem Beschluss zufolge künftig wie Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen. Dadurch gelten die Betroffenen schneller als Langzeitarbeitslose, und diese dürfen für bis zu sechs Monate für weniger als 8,50 Euro arbeiten.
Was der neue ZEW-Chef fordert, geht indes noch weiter. Eine temporäre Komplettaufhebung des Mindestlohns für Flüchtlinge sei extrem wichtig für die gesellschaftliche Integration dieser Menschen, sagte er am Samstag. Praktika, die zunächst geringer bezahlt sind, hält Wambach ebenfalls für sinnvoll. Der Wissenschaflter leitet das ZEW, seitdem sein Vorgänger Clemens Fuest den Vorsitz des Ifo-Instituts in München übernommen hat.
Die neue Sprache auch beim Arbeiten selbst lernen
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass es helfe, die neue Sprache auch beim Arbeiten selbst zu lernen. „Natürlich werden Sprachkurse benötigt, aber auf der Arbeit zu sein und mit Kolleginnen und Kollegen zu tun zu haben, ist eine gute Form, um schneller in die Sprache hineinzukommen.“
Beim Thema Integration hat die Bundesrepublik aus Wambachs Sicht viel nachzuholen: „Wir in Deutschland sind bislang nicht so gut in der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt. Deshalb hat das Thema so eine Wichtigkeit, und es ist gut, dass es die Bundesregierung jetzt verstärkt in den Blick nimmt.“
Die große Koalition will die Integration von Flüchtlingen mit mehr Arbeitsgelegenheiten und Sprachkursen erleichtern. Vorgesehen ist zum Beispiel, für drei Jahre bei Asylbewerbern und Geduldeten auf die so genannte Vorrangprüfung zu verzichten. Diese schrieb bislang vor, dass eine Stelle zunächst einem deutschen oder europäischen Staatsbürger angeboten werden muss – und erst dann an einen Flüchtling gehen darf, wenn sich kein geeigneter anderer Bewerber findet. Wambach begrüßte die geplante Aussetzung dieser Vorrangprüfung. Außerdem sollen aus Bundesmitteln 100.000 zusätzliche Ein-Euro-Jobs - geschaffen werden. Der ZEW-Chef sagte: „Das Ziel sollte sein, Flüchtlinge in qualitativ höherwertige Stellen hineinzubringen - aber Praktika oder geringfügige Beschäftigungen können der Einstieg sein.“
Nur Teile einer Ausbildung absolvieren
Die Flüchtlingssituation sei neu - darum brauche es auch neue Lösungen. „Vorstellbar wären modulare Ausbildungen: Ein Flüchtling könnte zum Beispiel Teile einer Ausbildung durchlaufen und dann hinterher mit Teilqualifikation arbeiten“, sagte Wambach. „Wenn es dann passt und jemand Fähigkeiten hat, kann er auch Schritt für Schritt die ganze Ausbildung machen.“
Kreative Unternehmen können aus Wambachs Sicht neue Arbeitsplätze für Flüchtlinge schaffen. „Unser Dienstleistungssektor ist ausbaufähig im Vergleich zu anderen Ländern, auch im Bereich Gesundheit und Pflege“, sagte er. „Wir haben in den vergangenen Jahren extrem viele Menschen zusätzlich in den Arbeitsmarkt integriert.“ Die Unternehmen seien auch in der Pflicht, sich dabei zu engagieren.