Nähe zu Russlanddeutschen : Herr Lejbo und die AfD
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Russlanddeutsche demonstrieren zweisprachig für eine „sichere Heimat“ und gegen Flüchtlinge, die das Asylrecht missbrauchen. Bild: dpa
Eindeutige Haltung: Die AfD kann Einwanderern wenig abgewinnen. Nur die Russlanddeutschen empfängt die Partei mit offenen Armen. Woher kommt diese merkwürdige Willkommenskultur?
Die Alternative für Deutschland und die Einwanderer – das ist mehr als ein gestörtes Nachbarschaftsverhältnis. Kaum eine Gelegenheit lässt die Partei aus, um auf die Unterschiede hinzuweisen. Allerdings gibt es eine große Gruppe von Zugewanderten, mit der die AfD bestens kann: die Russlanddeutschen.
Auf den ersten Blick ist das nicht zu verstehen, zu unterschiedlich sind auch diese beiden Lager. Auf der einen Seite die Russlanddeutschen. Sie sind Teil der großen Gruppe jener Aussiedler, die besonders in den neunziger Jahren in Massen nach Deutschland strömten. Auf der anderen Seite die AfD, der allzu viel Fremdländisches nicht geheuer ist.
Russlanddeutsche haben „unkomplizierten Nationalstolz“
Und doch verbindet sie eine herzliche, geradezu innige Freundschaft. In Rheinland-Pfalz haben die Russlanddeutschen in der AfD sogar ein eigenes Netzwerk, gegründet von dem Koblenzer Mathematiker Aleksandr Lejbo. In Brandenburg bot die Partei vor zwei Jahren interessierten Wählern vor der Landtagswahl ihr Wahlprogramm auf Russisch an und hat dies wegen des durchschlagenden Erfolgs beim nächsten Mal auch wieder vor. Dabei sind ihr die Deutschkenntnisse der Zugezogenen eigentlich eine Herzensangelegenheit.
Ausgerechnet Alexander Gauland, seinerzeit der Spitzenkandidat der Brandenburger AfD, gab sich damals von seiner integrativen Seite: Höchste Zeit sei es, dass die Russlanddeutschen auch in das politische Leben Brandenburgs integriert würden, sagte er und versicherte: Er selbst werde das intensive Gespräch mit den Russlanddeutschen suchen. „Es ist wichtig, dass die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler wissen, es gibt eine Partei, es gibt Politiker, die sich zu ihnen bekennen. Und die mit einem offenen Ohr für die Probleme und Bedürfnisse der Russlanddeutschen ihre Arbeit im nächsten Brandenburger Landtag verrichten werden.“ Kaum vorstellbar, dass sich die AfD jemals so wortreich zu dem Bevölkerungsteil mit muslimischen oder afrikanischen Wurzeln bekennen würde.
Doch die Russlanddeutschen haben eine ganz besondere Geschichte: Ihre Vorfahren waren Bauern, die im 18. Jahrhundert von Katharina der Großen angeworben wurden und sich vor allem in der Gegend rund um die Wolga niederließen. Von Stalin wurden sie nach Sibirien oder nach Zentralasien umgesiedelt, sie galten als Kollaborateure. Ihr Deutschsein hat das eher noch bestärkt – viele behielten ihre deutsche Identität oder zumindest das Bewusstsein, deutsche Wurzeln zu haben, selbst als die Sprache langsam verkümmerte. „Russlanddeutsche hatten schon immer einen unkomplizierteren Nationalstolz“, sagt der russlanddeutsche Historiker Alfred Eisfeld.
Hundertprozentige mit der AfD
Auf der Suche nach den Gründen für die ungewöhnliche Zuneigung zwischen dieser Einwanderergruppe und der AfD machen wir uns auf den Weg nach Koblenz. Dort lebt Aleksandr Lejbo in einer großzügigen Eigentumswohnung auf zwei Etagen mit Blick auf dem Rhein. Den pensionierten Mathematiker darf man getrost ein leuchtendes Beispiel gelungener Integration nennen, von denen es viele gibt. Gerne wird an dieser Stelle auf die erfolgreiche Schlagersängerin Helene Fischer verwiesen, die einst aus Sibirien nach Deutschland kam, ohne dass man das heute noch merken würde. Kein Akzent, keine kulturellen Auffälligkeiten, jedenfalls keine lästigen, so ist den Deutschen Integration am liebsten.
Russische Gastfreundschaft allerdings ist auch hierzulande gern gesehen. Wenn Herr Lejbo zum Gespräch empfängt, gibt es keine trockenen Kekse. Der Tisch ist reichlich gedeckt mit Wurst und Käse, sorgsam geschnittenem Gemüse, frischen Himbeeren und Erdbeeren. Gemeinsam mit seiner Frau kam der Mathematiker zu Beginn von Glasnost und Perestroika von Moskau nach Deutschland, im Dezember 1986 reiste er nach Berlin. Beide sprechen fließend Deutsch mit dem nostalgischen Sing-Sang des russischen Dialekts.