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Mindestlohn : Praktika dürfen länger dauern

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Praktikum im Labor - auch das darf länger dauern als geplant. Bild: picture alliance / Sigrid Gomber

Für Praktikanten, Spargelstecher und Zeitungsboten wird der Mindestlohn weniger streng. Die Bundesagentur für Arbeit findet solche Ausnahmen gar nicht gut.

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          Schon vor der für Montag angesetzten Expertenanhörung im Bundestag hat sich eine Spitzenrunde der großen Koalition über Änderungen am Gesetz für den geplanten Mindestlohn verständigt. Wie die F.A.Z. aus Koalitionskreisen erfahren hatt, betrifft dies zum einen Sonderregeln für Zeitungszusteller und Erntehelfer, mit denen Belastungen durch den Mindestlohn für Verlage und Landwirte abgemildert werden sollen. Zum anderen sollen die im ursprünglichen Entwurf der Regierung vorgesehenen Mindestlohnregelungen für Praktika etwas gelockert werden.

          Innerhalb der Koalition hatte sich in dieser Woche vor allem Widerstand gegen eine zuvor von den Koalitionsspitzen ausgearbeitete Sonderregel für Zeitungszusteller geregt. Für diese sollte, falls sie als Minijobber beschäftigt sind, eine auf fünf Jahre befristete Sozialabgabenentlastung zugunsten der Verlage eingeführt werden. Nun ist vorgesehen, dass Verlage auch ohne einen Tarifvertrag die im Gesetzentwurf vorgesehene Übergangsfrist von zwei Jahren nutzen können: Sie dürfen den Mindestlohn, der im Grundsatz zum 1. Januar 2015 mit 8,50 Euro je Stunde in Kraft tritt, im Jahr 2015 um 25 Prozent und im Jahr 2016 noch um 15 Prozent unterschreiten.

          Generell hatte der Gesetzentwurf der Regierung schon vorgesehen, dass Branchen den Mindestlohn noch bis Ende 2016 unterschreiten dürfen - aber nur, wenn dies auf Grundlage eines Tarifvertrags erfolgt, der für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Für Erntehelfer soll es weiter nur diese tarifliche Übergangsregelung geben. Doch sieht die am Freitag erzielte Einigung vor, dass Landwirte in ihrem Fall gewisse Sachkosten vom Mindestlohn abziehen dürfen, vor allem wenn ausländische Saisonkräfte auch Kost und Logis erhalten.

          Mindestlohn kostet Praktikantenplätze Bild: FAZ.NET/Statista - Lizenz: CC BY-ND 3.0

          Zudem ist nun vereinbart, dass für Praktika im Regelfall nach drei Monaten der Mindestlohn gelten soll. Bislang sollten zwar gesetzlich anerkannte Pflichtpraktika im Rahmen von Ausbildungen ausgenommen bleiben, für andere Praktika sollte der Mindestlohn aber schon nach sechs Wochen greifen. Dies hätte nach Auffassung von Arbeitgebern und auch Gewerkschaften diverser Branchen dazu führen können, dass selbst für Praktika zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung der Mindestlohn fällig geworden wäre - mit der Folge dass es solche Praktika nicht mehr gegeben hätte.

          Die Koalition will das Gesetzespaket am Freitag im Bundestag verabschieden. Für Montag ist eine Expertenanhörung angesetzt; letzte Änderungsanträge können dem Zeitplan zufolge am Mittwoch im Ausschuss für Arbeit und Soziales auf den Weg gebracht werden.

          Forderungen von Wirtschaftspolitikern, die Altersgrenze des Mindestlohns von 18 auf 21 Jahre anzuheben, fanden dagegen bisher keinen Widerhall. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, haben sich daher mit einem Brandbrief an die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD gewandt. Das Problem bestehe weiter: Gelte der Mindestlohn schon für alle junge Leute vom 18. Lebensjahr an, werde es bald weniger Auszubildende und mehr Ausbildungsabbrecher geben, warnen sie. „Die Politik gefährdet damit ihr selbst gesetztes und von der Wirtschaft unterstütztes Ziel, den Anteil der 25- bis 35-Jährigen ohne Berufsabschluss weiter zu reduzieren“, schreiben sie in ihrem Brief.

          Der Präsident der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hat sich generell gegen weitere Ausnahmen ausgesprochen. „Wenn man zu viele Sonderregelungen zulässt, wird man Widersprüche produzieren, Ausweichverhalten fördern und am Ende Unzufriedenheit ernten“, sagte Weise der „Frankfurter Rundschau“. „Ich halte eine allgemein verbindliche Regelung mit wenigen Ausnahmen, wie sie etwa für Langzeitarbeitslose und Jugendliche vorgesehen sind, für besser.“

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