Migrationsforscher Borjas : „Eine Million Flüchtlinge sind gewiss zu viel“
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Flüchtlinge in Passau: Deutschland hat die Kontrolle über seine Grenzen verloren, sagt der Migrationsforscher George Borjas. Bild: dpa
Politik und Medien beschönigen die Erfolge der Einwanderung, sagt der Ökonom. Die guten Erfahrungen, die Amerika in den 1920er Jahren gemacht hat, lassen sich nicht übertragen. Ein Interview.
Herr Professor Borjas, Politiker und vor allem Ökonomen streichen die Vorzüge der Immigration heraus - besonders für aufnehmende Länder. Schlicht gefragt: Ist Immigration gut?
Das hängt davon ab, wer betroffen ist. Wenn wir unterstellen, dass die Einwanderer nach Deutschland so zusammengesetzt sind, dass sie die Arbeiten übernehmen, die die Einheimischen nicht machen wollen, dann profitieren die Deutschen sehr davon. Sie als Journalist könnten sich voll und ganz darauf konzentrieren, Artikel zu schreiben und besser in Ihrer Profession zu werden.
Während die Immigranten den Müll entsorgen und das Haus putzen?
Genau. Man stelle sich aber stattdessen vor, die Zuwanderer seien alles qualifizierte Journalisten, die dank „Google Translater“ gute Artikel auf Deutsch schreiben können. Dann könnte Ihr Arbeitgeber auf die Idee kommen, dass Sie überbezahlt sind. Er könnte Ihren Lohn kürzen. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Immigration produziert stets Gewinner und Verlierer. Und die Gewinner sind tendenziell diejenigen, die Einwanderer beschäftigen, die ihre Produkte kaufen können. Die Verlierer sind diejenigen, die mit den Einwanderern um Arbeitsplätze und Löhne konkurrieren müssen.
Was kommt dabei unterm Strich für die gesamte Volkswirtschaft heraus?
Die ökonomischen Gesetze sagen, dass die Gewinne der Gewinner die Verluste der Verlierer übersteigen. Was für den Welthandel gilt, gilt auch für die Immigration. Nicht alle profitieren, aber in der Summe ist der ökonomische Effekt positiv, allerdings nur, wenn man allein den Arbeitsmarkt betrachtet. Das Ergebnis wird allerdings viel weniger eindeutig, wenn man zusätzlich etwa die Auswirkungen für den Wohlfahrtsstaat einkalkuliert. Fest steht: Die verbreitete Idee, dass Einwanderung für jedermann gut ist, ist schlicht falsch.
Sie selbst sind kubanischer Flüchtling. Sie haben es zum Harvard-Professor gebracht. Sind Sie nicht der lebende Beweis dafür, dass Immigration gut ist?
Für mich persönlich war sie sogar extrem gut. Ich hoffe, mein Wirken hier hat Amerika genutzt, was schon weniger klar ist. Und ob es für meine alte Heimat Kuba gut ist, sei dahingestellt. Wenn Ärzte aus Afrika auswandern, nützt es ihnen, ihrer neuen Heimat. Aber nicht ihrem Herkunftsland. Immigration produziert stets Kosten, die jemand tragen muss.
Sind nicht Auswanderer per se mit Mut, Energie und Weitsicht gesegnet und damit von vornherein nützlich für ihre neue Heimat?
Das ist ein Mythos. Die klügsten und besten Köpfe aus dem Hochsteuerland Dänemark haben vielleicht einen Anreiz, nach Amerika zu gehen, weil sie dort ihre Fähigkeiten besser versilbern können. In vielen Schwellenländern geht es den Eliten bestens, sie bleiben. Schlecht geht es den Armen, die deshalb das Weite suchen. Jeder Immigrant macht seine persönliche Kalkulation.
Kehren im Zeitalter der Mobilität viele wieder in die Heimat zurück?
Nichts ist so permanent wie Gastarbeiter, lautet ein geflügeltes Wort in unserem Metier. Warum sollte ein Einwanderer in seine Heimat zurückkehren, wo die Verhältnisse so viel schlechter sind?
Vielleicht, weil er ein Patriot ist?
Vielleicht. Die große Mehrheit derjenigen, die nicht weg müssen, bleibt. Ein indischer Computeringenieur im Silicon Valley findet anderswo keine vergleichbaren Bedingungen. Welchen Anreiz hätte er, heimzugehen?
Macht es einen Unterschied, ob die Menschen, die derzeit nach Deutschland kommen, aus islamischen Ländern kommen?
Natürlich macht es einen Unterschied. Man verschließt seine Augen, wenn man das nicht sieht. Als die Gastarbeiter nach Deutschland kamen, hat der Schriftsteller Max Frisch gesagt: Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen. Das fängt die gesamte Komplexität des Problems ein.