Migration nach Maß (4) : Der Kontinent der Sehnsucht hat hohe Hürden aufgestellt
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Bild: F.A.Z.
Australien sucht händeringend Einwanderer, aber sie müssen den Anforderungen entsprechen. Denn die australische Wirtschaft braucht dringend qualifizierte Arbeitskräfte.
Auf der Leinwand erscheint schönstes Blau in der Endlosschleife: Dias von Sydney, Melbourne, Perth, das weltberühmte Opernhaus, die unvermeidlichen Känguruhs, der Koalabär. Sehnsüchte wollen geweckt werden. Der Wunsch nach Sand, Sonne, Surfen, nach Freiheit unter endlosem Himmel. Australien ist der Sehnsuchtskontinent der Welt. Und James Alan Hall ist sein Türöffner.

Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.
Deshalb sitzen heute 42 Asiaten vor Hall. Der greift zum Mikrofon, die Fernweh-Dias weichen einer Powerpoint-Präsentation. Hall verdient sein Geld als Makler für Einreisevisa nach Australien. Der Migrationsagent mit der Nummer 0428740 weiß, wie man Umzugswünsche weckt. Und er weiß, wie man sie befriedigt. An diesem Abend erklärt er in der südostasiatischen Metropole Singapur, wie man ein Dauervisum für den Fünften Kontinent bekommt.
Strenge Kontrollen schon bei der Urlaubsreise
Einfach wird es nicht. Denn die Australier sind locker, nett und gastfreundlich. Aber wenn es um die Ansiedlung in der ehemaligen Sträflingskolonie geht, verstehen sie keinen Spaß. Schon wer nur zum Urlaub kommt, weiß ein Lied davon zu singen. Am Flughafen schnüffelt ein Beagle das Gepäck nach Lebensmitteln ab, die man nicht mitbringen darf. Die Zöllner röntgen Rucksäcke und Koffer. Und ein Beamter fragt nach den Gründen für die Reise, weist darauf hin, daß der Gast keine Arbeit annehmen dürfe, und will einen Blick auf das Rückflugticket.
Wer sich seinen Lebenstraum erfüllen will, nach Australien umzusiedeln, hat weit höhere Hürden zu nehmen. "Sie begeben sich in einen extrem regulierten Bereich. Sie müssen Kurse machen, Prüfungen ablegen, Zeugnisse übersetzen lassen. Zuallererst aber müssen Sie dem Anforderungsprofil Australiens entsprechen", sagt Hall.
Gut ist derjenige dran, der 25 Jahre alt ist, eine Lehre zum Friseur gemacht und danach ein Vollstudium in Anglistik absolviert hat, möglichst zwei Semester davon in Australien, und nun mindestens sechs Jahre Berufserfahrung als Friseur mitbringt. Alkoholiker, Diabetiker, Gewalttäter sollte er nicht sein, aber dafür willens, mindestens zwei Jahre im australischen Hinterland zu leben. Danach liegt ihm Sydney zu Füßen.
Arbeitskräft dringend gesucht
Weil solche Menschen aber nicht täglich bei Australiens Einwanderungsbehörde anklopfen, macht die sich auf die Suche und veranstaltet Seminare in den Auslandsmetropolen. Niemand kann den Australiern vorwerfen, mit dem Grund für die Suche nach Einwanderern hinter dem Berg zu halten: "Früher hatte sich die Labor-Regierung darauf konzentriert, zu allererst Angehörige australischer Familien ins Land zu lassen. Wir aber helfen der australischen Wirtschaft, indem wir ausgebildete Emigranten hereinholen, die einen wertvollen Beitrag zu Australiens Wirtschaftswachstum leisten", sagt Amanda Vanstone, Ministerin für Einwanderung der national-liberalen Bundesregierung.
Denn Australien hat ein Problem, das Asien oder Europa gerne hätten. "Down-under" steht die Arbeitslosenquote mit 4,9 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit drei Dekaden. Die Löhne stiegen im vergangenen Jahr um 4 Prozent. Die fünftgrößte Volkswirtschaft der Region Asien-Pazifik ist größer als Europa, hat aber nicht dessen 450 Millionen Einwohner, sondern gerade einmal 20 Millionen. Diese 20 Millionen erwirtschaften schon jetzt ein Bruttoinlandsprodukt, das ein Fünftel des deutschen BIP ausmacht. Tendenz steigend: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet damit, daß das australische BIP nach 2,9 Prozent in diesem im kommenden Jahr um 3,7 Prozent wachsen werde. Arbeitskräfte werden wohl noch lange gesucht werden.