Debatte um Managergehälter : Was die Schweizer Initiative gegen Abzocker gebracht hat
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Der Schweizer Spitzenverdiener 2015: UBS-Chef Sergio Ermotti bekam 14 Millionen Franken Bild: dpa
68 Prozent der Schweizer stimmten vor vier Jahre „gegen die Abzockerei“. Was hat es bewirkt? Die Managergehälter sind jedenfalls nicht gesunken.
Vor genau vier Jahren stimmten die Schweizer für die Initiative „gegen die Abzockerei“. Die Zustimmung von 68 Prozent zählt bis heute zu den höchsten Quoten, die in der Schweiz jemals in einer Volksabstimmung erreicht worden ist. Der Initiator Thomas Minder, ein Unternehmer und parteiloser Politiker aus Schaffhausen, hatte einen Nerv getroffen: Selbst in der wirtschaftsfreundlichen Schweiz war man über die Spitzengehälter im Management nicht mehr amüsiert. Hohe Wellen schlug damals vor allem das Abschiedspaket von 72 Millionen Franken für Daniel Vasella, den früheren Verwaltungsratspräsidenten von Novartis.
Derlei Höhenflüge hat es seit der Annahme der Abzocker-Initiative nicht mehr gegeben. Gesunken sind die durchschnittlichen Gehälter der Spitzenmanager in den börsennotierten Schweizer Unternehmen freilich nicht. Wer diese Hoffnung hegte, muss also heute enttäuscht sein. Von absoluten Obergrenzen für Löhne und Boni war in der Initiative allerdings gar keine Rede.
Sie zielte vor allem auf eine Stärkung der Aktionärsrechte. Die sogenannte 1:12-Initiative hätte viel größere Folgen gehabt. Durch sie hätten die Spitzengehälter in den Unternehmen auf das Zwölffache des jeweils niedrigsten Lohnes begrenzt werden müssen. Doch das ging den Eidgenossen zu weit: Im November 2013 lehnten sie dieses Begehr klar ab.
„Die Verordnung zeigt Wirkung“
Die Regierung, in der Schweiz Bundesrat genannt, hat die Abzocker-Initiative per 1. Januar 2014 im Wege einer Verordnung in Kraft gesetzt. Nach einer Studie der Unternehmensberatung HKP ist die durchschnittliche Vergütung der Vorstandschefs der 20 Unternehmen, die im Schweizer Leitindex SMI geführt sind, 2015 um 8,2 Prozent gestiegen. Die Vorstandsvorsitzenden verdienten im Durchschnitt 7,9 Millionen Franken (7,4 Millionen Euro), wobei der UBS-Chef Sergio Ermotti mit 14 Millionen Franken den Spitzenplatz belegte. Insgesamt verdienten fünf Manager mehr als 10 Millionen Franken, darunter die Pharma-Bosse Severin Schwan (Roche) und Joe Jimenez (Novartis).
Der Schweizer Vergütungsspezialist und HKP-Partner Martin Pfändler zieht trotzdem eine positive Bilanz der Abzocker-Initiative: „Die Verordnung zeigt Wirkung. Sie hat die Verwaltungsräte dafür sensibilisiert, Leistung und Vergütung stärker zu verknüpfen und in Einklang zu bringen.“ Den Hebel dazu bildet die Pflicht, die Aktionäre der börsennotierten Unternehmen jedes Jahr auf der Hauptversammlung über die Vergütung der Verwaltungsräte und Vorstände abstimmen zu lassen.
Dabei haben die Verantwortlichen die Wahl, ob sie nachträglich über die Vergütung des zurückliegenden Jahres oder vorab über die Saläre des laufenden und folgenden Jahres abstimmen lassen. In der Praxis habe sich gezeigt, dass die meisten Unternehmen den Blick nach vorn wählten, berichtet Pfändler. Die rückwirkende Abstimmung über den Vergütungsbericht sei nicht bindend. Im Fall einer Ablehnung durch die Aktionäre muss das Management also nicht mit Konsequenzen rechnen. Wirkungslos ist dieses Instrument nach Ansicht Pfändlers aber trotzdem nicht. „Der Verwaltungsrat kann ein solches Votum nicht ignorieren. Er muss sich dann überlegen, ob er das Vergütungssystem in der Zukunft nicht besser ändert.“
Aktionäre nutzen ihre neuen Rechte kaum
Der Vater der Initiative, Thomas Minder, hält hingegen nichts von dieser Regelung. „Es kann doch nicht angehen, dass die Aktionäre zu Beginn des Jahres über die Höhe der leistungsbezogenen Vergütung abstimmen. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich die Leistung des Managements doch noch gar nicht beurteilen.“ Im Gespräch mit dieser Zeitung zeigt sich Minder auch insgesamt enttäuscht von der Umsetzung seiner Initiative durch den Bundesrat. „Dessen Verordnung hat gravierende Mängel.“ So sei dort zwar das Verbot von Abfindungen und goldenen Handschlägen verankert, aber nicht, wie im Initiativtext formuliert, das Verbot von Vorauszahlungen.
Martin Pfändler wundert sich nicht, dass die Aktionäre in der Schweiz ihre neuen Rechte bisher nur äußerst selten dazu genutzt haben, die Vergütungsvorschläge abzuschmettern. „Rund zwei Drittel des Kapitals der Schweizer Unternehmen sind im Besitz ausländischer Investoren. Diese folgen oft den Usancen in ihrer Heimat.“ Tatsächlich sind insbesondere Großanleger aus Amerika und Großbritannien an hohe Gehälter gewöhnt.
Vor allem in den Vereinigten Staaten verdienen die Topmanager deutlich mehr als in Europa. Auch den meisten Hedgefonds ist es herzlich egal, ob ein Vorstandschef nun 3 oder 12 Millionen Franken verdient - Hauptsache, Rendite und Dividende stimmen. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Investoren in den Hauptversammlungen von professionellen Stimmrechtsberatern vertreten lassen. Hier dominiert das amerikanische Unternehmen Institutional Shareholder Services (ISS). Gegen dessen Meinungsmacht kann beispielsweise die Schweizer Anlagestiftung Ethos, die sich für eine nachhaltige Vergütungspolitik einsetzt, wenig ausrichten.