Wachsender Welthunger : Der Wettlauf der Landwirtschaft
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Sparsam beackert: Deutsche Landwirte gelten international als Vorbild Bild: dpa
Bis 2050 müssen sich die Ernten verdoppeln, damit der wachsende Hunger der Welt gestillt wird. Es gibt Zweifel, dass das gelingt. Sparsamer muss Landwirtschaft auch werden - wie in Deutschland.
Die Landwirtschaft in den Industrieländern geht heute viel sparsamer mit Ressourcen wie Erdöl oder mit Chemikalien um, als es noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Die Zahlen sehen nach einer wahrhaft nachhaltigen Entwicklung aus: Der Ressourceneinsatz von Dünger, Diesel und Agrarchemikalien bleibt bei steigenden Erträgen tendenziell stabil oder geht leicht zurück - die Ressourceneffizienz also steigt, wie der neu vorgestellte Überblick für große Industriestaaten der OECD zeigt. Der sperrige Begriff der Ressourceneffizienz ist nicht nur von betriebswirtschaftlichem Interesse für Bauern. Sie ist eine der entscheidenden Stellschrauben für die Ernährungssicherheit der Zukunft. Sie ist entscheidend darüber, ob künftig in Teilen der Welt Krieg oder Frieden, Stabilität oder Chaos vorherrschen.
Die erfreulichen OECD-Daten über wachsende Sparsamkeit sind kaum vereinbar mit den in allgemeine Bewusstsein vorgedrungenen Klagen über die „industrielle Landwirtschaft“. Aber die kürzlich bis 2010 fortgeschriebenen Daten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) belegen, dass in den 34 OECD-Mitgliedsstaaten zuletzt Stickstoff und Phosphor - dies sind zwei essentielle Nährstoffe für Pflanzen - als Düngemittel viel sparsamer verwendet wurden, als dies von den Sechziger- bis in die Neunzigerjahre hinein der Fall war. Weniger wird verschwendet und sickert nutzlos ins Grundwasser oder in die Böden. Seit der Jahrtausendwende geht auch der Pestizideinsatz deutlich und schneller als in den Vorjahren zurück - im Mittel um 1,1 Prozent im Jahr, wie aus der Studie hervorgeht. Auch gibt es im OECD-Mittel insgesamt weniger Bodenerosion und weniger Dürregebiete - wobei diese Probleme im Zuge des Klimawandels freilich ohnehin eher südliche Entwicklungsländer betreffen, die nicht der OECD angehören.
„Die Welt steuert deutlich auf eine Ernährungskrise zu“
Obgleich es Fortschritte in den OECD-Ländern gibt, bleibt die Frage, ob sie groß genug sind. Denn die Ressourceneffizienz ist nur eine Stellschraube zur Sicherung der Welternährung. Vermutlich werden die Pflanzenerträge nicht nur durch bessere Düngung steigen müssen. So legen Prognosen der Weltagrarbehörde FAO nahe, dass sich dafür die Getreideerzeugung bis zum Jahr 2050 verdoppelt muss. Denn die Weltbevölkerung soll von gut 7 auf dann 9 Milliarden Menschen steigen, die mutmaßlich mehr Fleisch essen wollen und viel mehr Biosprit für ihre Reisen und Transporte benötigen werden.
Ein neues Forschungspapier amerikanischer Agrar- und Umweltwissenschaftler um Jonathan Foley von der Universität Minnesota kommt diesbezüglich sehr pessimistisch daher. Würden die derzeitigen Erntezuwächse der vier wichtigsten Pflanzenarten Mais, Reis, Weizen und Soja weiter auf jetzigem Stand verharren, würde das Ziel doppelter Erträge bis zur Jahrhundertmitte bei weitem verfehlt werden, haben sie errechnet. Sie würden nämlich nur um je 67, 42, 38 und 55 Prozent steigen. „Die Welt steuert deutlich auf eine Ernährungskrise zu“, schreiben die Wissenschaflter ungeschönt.
Für die Nahrungsmittelerzeugung sind mehrere natürliche Ressourcen wichtig: Diesel für Traktoren und die Logistik genauso wie in der konventionellen Landwirtschaft chemische Pflanzenschutzmittel und die drei Düngemittelkomponenten Stickstoff, Phosphor und Kali. Die Ernten steigen (bis zu einem bestimmten Punkt), wenn die Bauern mehr davon einsetzen.
Landwirtschaft muss sparsamer mit Stickstoff umgehen
Immerhin setzen die Landwirte gerade Phosphor viel bewusster ein. In Deutschland, so zeigt die OECD-Statistik, wird kaum mehr Phosphor auf die Felder verspritzt, als die Pflanzen benötigen. Die Phosphorbilanz - das ist die Düngermenge, die in Luft, Wasser und Boden ungenutzt versickert - betrug 2008 nur noch ein Zwanzigstel des Wertes aus den frühen Neunzigerjahren. In Amerika ging sie derweil zumindest auf weniger als die Hälfte zurück. In 15 EU-Staaten verringerte sich die Phosphorbilanz in jedem Jahr um rund 10 Prozent.