Vor dem Parteitag : CDU-Flügel gegen jede Steuererhöhung
- -Aktualisiert am
Steuerbremse: Mittelstandssprecher Carsten Linnemann stört die Harmonie in der CDU. Bild: dpa
Auf dem Parteitag bahnt sich ein Konflikt um die Steuerpolitik an. Die CDU-Mittelständler fahren Merkel und Schäuble nach Informationen der F.A.Z. mit einem Initiativantrag in die Parade.
Der Versuch der CDU-Führung, mit vagen Steuerversprechen auf dem Parteitag ohne große Debatte davonzukommen, wird wohl scheitern. Der Wirtschaftsflügel plant einen Initiativantrag, um spätere Mehrbelastungen auszuschließen.

Verantwortliche Redakteurin für Wirtschaftspolitik, zuständig für „Die Ordnung der Wirtschaft“.

Wirtschaftskorrespondent in Berlin.
„CDU bleibt dabei: Keine Steuererhöhungen!“, heißt es in der Beschlussvorlage, die der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegt. Danach soll der Parteitag folgende Aussage billigen: „Die CDU lehnt Steuererhöhungen ab. Wir werden uns in unserem Wahlprogramm für die kommende Wahlperiode gegen jegliche Steuererhöhungen aussprechen.“ Hinter dem Antrag steht Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union (MIT).
„Die Union muss sagen, wofür sie steht und wofür nicht“, fordert der CDU-Bundestagsabgeordnete. „Bei den schon heute absehbaren Steuermehreinnahmen in den kommenden Jahren und der aktuellen Niedrigzinsphase muss der Staat in der Lage sein, mit den vorhandenen Einnahmen auszukommen“, sagte Linnemann dieser Zeitung. Hier müsse man die Unterscheidbarkeit von anderen Parteien deutlich machen.
Klare Positionierung vor Bundestagswahlkampf
Die CDU bekräftige mit einer klaren Positionierung gegen jegliche Steuererhöhungen auch in der kommenden Wahlperiode ihre Kernkompetenz einer soliden Finanzwirtschaft. Linnemann hat auch den CDU-Wirtschaftsrat hinter sich. Dessen Präsident, der Familienunternehmer Werner Bahlsen, verlangt ebenfalls ein präzises Bekenntnis im Wahlkampf. „Keine Steuererhöhungen in der nächsten Legislaturperiode“, schreibt Bahlsen in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
An diesem Dienstag und Mittwoch ist der CDU-Parteitag in Essen. Auf ihm werden die Weichen für den Bundestagswahlkampf 2017 gestellt. In seinem Leitantrag rühmt sich der Bundesvorstand, dass die CDU ihre zentralen Versprechen aus dem letzten Wahlkampf – keine neuen Schulden und keine neuen Steuern – eingelöst habe. Aber für die Zukunft zieht er sich auf eine allgemein gehaltene Formulierung zurück: „Wir wollen auch in der nächsten Legislaturperiode keine neuen Schulden machen und die Steuerquote nicht erhöhen.“ Die Zusage, die Steuerquote nicht zu erhöhen, würde es erlauben, an verschiedenen Ecken die Steuerschraube anzuziehen, wenn man dafür untere und mittlere Einkommen entlastet.
„Leistung muss sich lohnen“
Wenn sich die CDU-Führung in Essen mit ihrer Linie durchsetzt, wäre es beispielsweise möglich, den Spitzensteuersatz zu erhöhen oder die Abgeltungsteuer abzuschaffen. Dies würde Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen größeren Spielraum geben, etwa wenn sie mit den Grünen über deren Eintritt in die Regierung verhandeln sollten. Dasselbe gilt für eine denkbare Neuauflage der großen Koalition.
Schäuble hat die geplante Lockerung der Steuerpolitik am Wochenende verteidigt. Die CDU sollte dem Wähler versprechen, „unterm Strich die Steuer nicht zu erhöhen. Aufkommensneutrale Umschichtungen sollten möglich sein“, forderte der Minister in der Zeitung „Bild am Sonntag“. Zudem bekräftigte er den Plan einer Steuerentlastung für untere und mittlere Einkommen um 15 Milliarden Euro. Dafür wirbt auch der saarländische Finanzminister Stephan Toscani (CDU). „Ich will, dass den arbeitenden Menschen mehr von ihren Einkommenszuwächsen bleibt, weil sich Leistung lohnen muss“, sagte Toscani dieser Zeitung. Die Menschen mit mittlerem Einkommen erreichten zu früh hohe Progressionsstufen.
Mehr politischer Spielraum
Tatsächlich steigt in der Einkommensteuer die Abgabenlast mit jedem zusätzlich verdienten Euro (Grenzbelastung) nicht gleichmäßig. Vielmehr folgt auf den Grundfreibetrag (heute 8652 Euro, nächstes Jahr 8820 Euro und 2018 dann 9000 Euro) eine Zone bis 13670 Euro, in der die Grenzbelastung besonders kräftig zulegt, nämlich von 14 Prozent auf 24 Prozent. Danach wächst sie langsamer, erst von 53665 Euro an erreicht sie 42 Prozent. Von da an bleibt es lange bei dieser Grenzbelastung. Erst Einkommensteile, die über 254500 Euro liegen, werden mit 45 Prozent belastet (Reichensteuer).
Toscani warb wie Schäuble auch dafür, dass der Solidaritätszuschlag ausläuft. Das wäre ebenfalls eine große Entlastung für die Steuerzahler, die im nächsten Jahrzehnt möglich werde, sagte Toscani. Damit die Steuersenkungen nicht in Widerspruch zur Haushaltskonsolidierung gerieten, sei aber eine weitere konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuergestaltung notwendig.
Mehr politischen Spielraum sucht die CDU dabei nicht nur in der Steuerpolitik, sondern auch in der Frage der Sozialabgaben. Anders als bisher stellt sie in ihrem Leitantrag nicht mehr in Aussicht, die Abgabenquote stabil zu halten, also die Lohnzusatzkosten. Bislang hatte sie das Ziel verfolgt, die Belastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die hälftig finanzierten Beiträge zur Sozialversicherung nicht über 40 Prozent der Bruttolöhne steigen zu lassen. Nun heißt es lediglich vage, die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung sollten „nicht in unzumutbarem Maße“ steigen.