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Kommentar : Das Dilemma der EZB-Bankenaufsicht

EZB-Zentrale in Frankfurt Bild: dpa

Die EZB steckt in einem Interessenkonflikt. Einerseits will sie die Banken retten, andererseits treibt sie sie mit dem Niedrigzins in die Existenznot. Ihrem Auftrag Finanzstabilität wird sie jedenfalls nicht gerecht.

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          Das Undenkbare ist in der neuen Zinswelt der Europäischen Zentralbank (EZB) Alltag: Banken prüfen, ob sie in Tresoren Bargeld horten können. Unternehmen zahlen für ihre Bankkonten Strafzinsen und Privatkunden höhere Gebühren. Immer mehr Anleihen weisen einen negativen Zins auf. Derweil drohen in Italien Banken unter faulen Krediten zusammenzubrechen. Die Lehre aus der Finanzkrise, dass kein Steuerzahler mehr für Banken haften soll, wird einkassiert. EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio bringt nun sogar wieder Staatshilfen ins Spiel. Dabei ist ihm, der EZB und Rom die schlechte Verfassung italienischer Banken seit Jahren bekannt, aber geschehen ist wenig. Das kann auch daran liegen, dass EZB-Präsident Mario Draghi den Zins abgeschafft hat. Mit seinen Anleihekäufen verteilt er an Banken und Staaten Placebo-Pillen, die eine Genesung verhindern.

          Gleichzeitig treibt die EZB gesunde Banken und Versicherer in Existenznot. Eine baldige Zinswende und damit eine wieder bessere Ertragsbasis ist nicht in Sicht. Der drohende EU-Austritt Großbritanniens und die maroden Banken in seinem Heimatland Italien werden Draghi als Argumente für eine noch extremere Geldpolitik dienen. Die EZB wird den Banken nahelegen, die Abhängigkeit von den Zinserträgen zu verringern. Das klingt so, als ob der Brandstifter Ratschläge zum Brandschutz erteilt.

          Die Doppelrolle der EZB führt zu Interessenkonflikten. Der Unmut in den Banken wächst. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, warnt vor einem Vertrauensschwund der Bürger. Als wäre er ein Bankenlobbyist fordert er entgegen der Regeln der neu eingeführten Bankenunion jetzt 150 Milliarden Euro Staatshilfe für Euro-Wackelbanken. Ganz anders der Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon. Er fordert eine Neuordnung der Bankenaufsicht. Es bestehe ein Interessenkonflikt, weil der EZB-Rat über Geldpolitik und zugleich über Bankenaufsicht entscheidet. Das höchste Gremium, in dem Deutschland als mit Abstand größter Haftungsträger so wie Malta nur eine Stimme hat, soll entscheiden, ob, wann und wie eine marode Bank abgewickelt werden muss. Das setzt die EZB politischer Einflussnahme aus und bedroht ihre Unabhängigkeit.

          Hilflose EZB-Vertreter

          Ein Beispiel ist Italien. Die Bilanzprüfungen im Herbst 2014 zeigten, dass viele Banken angesichts ihrer faulen Kredite zu wenig Kapital haben. Doch eine geordnete Abwicklung fürchtete Ministerpräsident Matteo Renzi wegen der politischen Verwerfungen. Die EZB sah jahrelang weg und gibt ihm jetzt Rückendeckung, sie wirbt sogar für Staatshilfen. Zombiebanken soll weiter dahinvegetieren. Die EZB subventioniert sie schon mit ihren Käufen italienischer Staatsanleihen. Die damit vollgesogenen Banken freuen sich über die Kursgewinne, doch ihre Bilanzen sanieren sie nicht.

          Es wirkt hilflos, wenn EZB-Vertreter Banken zu grenzüberschreitenden Fusionen aufrufen. Die Widerstandskraft wird nicht gestärkt, wenn sich ein Gesunder mit einem Kranken das Bett teilt. Der Wunsch nach großen, „paneuropäischen“ Banken steht im Widerspruch zu dem Ziel der führenden Wirtschaftsnationen (G20), zu große Banken wegen ihrer Gefahren für das Finanzsystem zu verhindern. Die Vergemeinschaftung der Risiken treibt die EZB auch in der Einlagensicherung voran. Sie will eine grenzüberschreitende Lösung: Am Ende sollen deutsche Sparer für griechische oder italienische Banken haften.

          Gleichzeitig hat die EZB die Steuerungsfunktion des Zinses abgeschafft. Das verzerrt die Preise für Risiken und erhöht die Gefahr von Übertreibungen, wie man an den Immobilienpreisen in deutschen Großstädten sehen kann. Die Finanzkrise nach dem Lehman-Kollaps zeigt, was passiert, wenn Spekulationsblasen platzen. Doch trotz des Misserfolgs ihrer Extrempolitik hält die EZB an ihrem Kurs fest, um marode Banken in Südeuropa am Leben zu erhalten. Paradox ist, dass Banken für Geld, das sie bei der EZB parken, Strafzinsen zahlen müssen. Dabei hatten Aufseher nach der Finanzkrise Banken mit hohen Kundeneinlagen noch als sicher eingestuft, die sie heute bestrafen.

          Konflikt mit der Geldpolitik

          Indem die EZB das Schuldenmachen belohnt und das Sparen bestraft, brechen den noch gesunden Banken die Zinserträge weg. Wenn die alten, höher verzinsten Kredite auslaufen, bekommen die Institute die Auswirkungen der Negativzinspolitik voll zu spüren. Zusätzlich müssen sie die Kosten aus der Flut an aufsichtsrechtlichen Vorgaben tragen und gleichzeitig in den digitalen Umbruch investieren. Die Vorgaben kommen auch von der EZB, die Banken vorschreibt, wie viel Kapital sie vorhalten müssen.

          Das steht im Konflikt mit der Geldpolitik, die auf eine höhere Kreditvergabe zielt. Diese müssen Banken aber einschränken, wenn sie ihr Kapital schonen sollen. Die EZB steckt in dem Dilemma, dass die Aufsicht entweder gegen die geldpolitischen Ziele wirkt oder sich unterordnet, aber dann ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. Hinzu kommt noch großer politischer Druck. So schafft die EZB kein Vertrauen in die Banken. Durch den Interessenkonflikt ist der Auftrag Finanzstabilität für die Zentralbank unerfüllbar.

          Markus Frühauf
          Redakteur in der Wirtschaft.

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