Kampf gegen die Armut : Die Weltbank neu ausrichten
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Der Amerikaner Jim Yong Kim soll Chef der Weltbank werden. Der Mediziner stammt aus Südkorea. Bild: dpa
Heute wird der Amerikaner Jim Yong Kim an die Spitze der Weltbank gewählt. Offiziell ist er dann der oberste Armutsbekämpfer der Welt. Er muss einiges verändern.
Wie der Internationale Währungsfonds ist auch die Weltbank Nutznießer der Weltwirtschaftskrise. Unter dem Eindruck der Weltrezession und geleitet vom Streben nach internationaler Zusammenarbeit, waren die Regierungen nur zu gerne bereit, den Schwesterinstitutionen in Washington mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Zum ersten Mal seit mehr als zwanzig Jahren wurde 2010 eine Kapitalerhöhung für die Weltbank beschlossen. Das war die Anerkennung auch dafür, dass sie während der Krise eine gute Figur gemacht hatte.

Korrespondent für Wirtschaft und Politik in Japan mit Sitz in Tokio.
Innerhalb von zwei Jahren hatte die Weltbank das Volumen ihrer regulären Ausleihungen an Entwicklungsländer auf 44 Milliarden Dollar mehr als verdreifacht. Damit setzte sie dem Einbruch des privaten Kapitalzustroms in die Entwicklungsländer zumindest teilweise einen Puffer entgegen. Zugleich trug sie dazu bei, dass die Handelsfinanzierung nicht völlig austrocknete. So linderte die Weltbank die Kollateralschäden der Finanzkrise im Westen für die Entwicklungsländer.
Der gelungene Kriseneinsatz und das aufgestockte Kapital haben der Entwicklungshilfebank freilich nur Zeit verschafft. Ungeklärt ist - wie vor der Krise - ihre Rolle in einem Zeitalter der finanziellen Globalisierung, in dem viele Schwellenländer mittleren Einkommens sich zunehmend selbst am Kapitalmarkt versorgen können. Auch wenn es dem Selbstbewusstsein der stolzen Institution zuwiderläuft, hat sie die Rolle des dominierenden Entwicklungshilfegebers schon lange verloren. Mit der sich erholenden Weltwirtschaft wird sie in vielen Ländern wieder an den Rand gedrängt werden. Die privaten Kapitalströme in die Entwicklungsländer haben sich von dem Einbruch während der Finanzkrise überraschend schnell erholt.
Die Weltbank muss weniger Geld verleihen und mehr verschenken
Die Weltbank bedarf eines neuen Geschäftsmodells, weg von Krediten, hin zu direkten Zuschüssen an die ärmsten Länder. Schwellenländer mittleren Einkommens, an die der Großteil der Weltbankkredite geht, brauchen das Geld zunehmend nicht mehr. Und die ärmsten Länder etwa im südlichen Afrika brauchen keine Kredite, die sie ohnehin nicht zurückzahlen können, sondern Zuschüsse.
Der gebotene Abschied von früherem Glanz fällt der Bank mit ihren mehr als 10.000 Mitarbeitern schwer. Der Versuch, sich mit der entwicklungspolitischen Erfahrung als „Wissensbank“ neu zu erfinden, ist löblich. Für den Wissenstransfer aber braucht es keine Kredite. Vermessen ist ohnedies die Annahme, die Weltbank habe das Wissen erfolgreicher Entwicklung gepachtet. Trug der intellektuelle Unterbau ihrer Kredite dazu bei, dass viele afrikanische Länder in den neunziger Jahren die Vorteile offener Märkte entdeckten und zu überraschend robustem Wachstum fanden? Mindestens so plausibel ist die Vermutung, dass die Afrikaner ganz einfach dem erfolgreichen Beispiel anderer Länder folgten.
In der Bank und im Kreis der G20 kursiert als weitere Idee, die Weltbank noch mehr in die Produktion internationaler öffentlicher Güter einzuspannen, vom Umwelt- und Klimaschutz bis zur Frauenförderung. Diese westlich geprägte Agenda führt zu Spannungen mit Entwicklungsländern, die Auflagen und Kosten scheuen. Die Ausweitung der Aufgaben lenkt die Institution aber vor allem von ihrer Kernaufgabe ab, der Armutsbekämpfung und der Förderung von Wachstum. Wenn es um das nackte Überleben geht, ist Klimaschutz sekundär.
Jim Yong Kim hat einen frischen Blick
Der neue Präsident der Weltbank, der kommende Woche bestimmt wird, steht vor der Aufgabe, die Institution neu auszurichten. Im Dringen der Entwicklungsländer auf mehr Einfluss stehen zum ersten Mal drei Kandidaten zur Wahl. Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala und der Kolumbianer José Antonio Ocampo sind respektable Bewerber mit großer entwicklungspolitischer Erfahrung. Die Ökonomen erfüllen viele Voraussetzungen für das Amt und könnten den Interessen der Entwicklungsländer eine kräftige Stimme geben. Eine grundlegende Neuausrichtung der Weltbank ist von ihnen aber nicht zu erwarten. Sie sind Entwicklungspolitiker klassischen Typs. Angesichts der Machtverteilung in der Bank haben sie gegen den amerikanischen Kandidaten Jim Yong Kim aller Voraussicht nach auch keine Chance.
Der koreanischstämmige Mediziner ist deshalb keine schlechte Wahl. Der Universitätspräsident hat sich durch sein persönliches Engagement und seine Erfolge in der Bekämpfung von Tuberkulose und Aids in Entwicklungsländern einen guten Namen in der internationalen Gesundheitspolitik gemacht. Ihn zeichnet aus, dass er Entwicklungshilfe nicht nur gut bezahlt im öffentlichen Sektor, sondern auch in einer - von ihm mitgegründeten - privaten Organisation betrieb. Zu Recht aber richten sich Bedenken darauf, dass Kim keine Erfahrung mit dem vielfältigen Geschäft der Weltbank mitbringt. Seine Unerfahrenheit und sein Werdegang eröffnen freilich die Chance, dass er die Weltbank mit frischem Blick angeht und sie auf die Aufgabe der Armutsbekämpfung fokussiert. Illusionen darf man sich aber nicht hingeben. Der Weltbankpräsident kann inhaltliche Anstöße geben. Über das Schicksal der Institution entscheiden aber allein die Regierungen der Anteilseigner.