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Kalte Progression : Der Druck auf Merkel wächst

  • Aktualisiert am

Bundeskanzlerin Angela Merkel Bild: AFP

Kanzlerin Merkel wollte die Debatte über die Kalte Progression noch vor ihrem Urlaub beenden. Doch so einfach scheint das dieses Mal nicht zu gehen. In der CDU mehren sich die Stimmen, mittlere Einkommen zu entlasten. Und auch Vizekanzler Gabriel legt nach.

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          In Bund und Ländern erhöht sich der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Kalte Progression noch in dieser Legislaturperiode abzubauen. Merkel hatte zwar betont, dass es dafür derzeit keinen finanziellen Spielraum gebe, dennoch nimmt in der CDU die Zahl der Befürworter einer solchen Steuerentlastung für mittlere Einkommen zu.

          Anders als Merkel sieht Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel durchaus Spielraum für Entlastungen. „Wir haben beispielsweise eine riesige Anzahl von Minderausgaben und Mehreinnahmen durch den Mindestlohn, weil Menschen mehr Sozialabgaben zahlen“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. „Ich bin ganz sicher, dass wir in dieser Legislaturperiode auch zu einem Ergebnis kommen würden.“ Die SPD bot der Union bereits Gespräche darüber an.

          Das Magazin „Spiegel“ berichtete am Sonntag vorab, mehrere unionsgeführte Bundesländer begrüßten einen Vorstoß der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, die dazu auf dem CDU-Parteitag im Dezember einen Antrag einbringen will. Allerdings wollen sie wie auch SPD- und Grünen-geführte Länder vor dem Hintergrund der Schuldenbremse Einnahmeausfälle durch eine Reform unbedingt vermeiden.

          Klöckner: Eine Steuererhöhung durch die Hintertür

          „Ich unterstütze die Forderung nach Abbau der Kalten Progression unter zwei Bedingungen“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Eine Reform dürfe nicht zu Mindereinnahmen für die Länder führen und nicht über neue Schulden finanziert werden.

          Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Ich kann mir gut vorstellen, die Kalte Progression bei der Einkommensteuer abzuschaffen - nur nicht zulasten neuer Schulden im Haushalt.“

          Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte im „Spiegel“: „Die Kalte Progression ist eine Steuererhöhung durch die Hintertür, und die sollten wir verhindern.“ Sie lehnt es dabei ausdrücklich ab, dass der Bund die Länder für den Wegfall von Einnahmen entschädigt: „Für die Abschaffung einer Ungerechtigkeit bedarf es keiner Kompensation.“

          Die „kalte Progression“
          Die „kalte Progression“ : Bild: dpa

          Als Kalte Progression wird der Effekt bezeichnet, dass Lohnerhöhungen durch den automatischen Anstieg des Steuertarifs aufgefressen werden können - und Arbeitnehmer je nach Inflationshöhe unterm Strich nicht mehr Geld oder sogar weniger haben. Zuletzt hatte neben dem Wirtschafts- auch der Arbeitnehmerflügel der Union gefordert, das Thema neu aufzugreifen.

          Ein Anlauf der früheren schwarz-gelben Regierung zur Änderung des Tarifverlaufs war in der vergangenen Legislaturperiode letztlich am Widerstand des grün- und rot-dominierten Bundesrats gescheitert. Nun unterstützen die Finanzminister mehrerer SPD- und Grünen-geführter Länder zwar entsprechende Forderungen - aber auch nur unter der Bedingung, dass sie dafür nicht aufkommen müssen.

          Bereits am Samstag hatten die Ressortchefs von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Peter-Jürgen Schneider, Norbert Walter-Borjans und Nils Schmid, der „Rheinischen Post“ gesagt, es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass Lohnerhöhungen nicht durch automatisch steigende Steuertarife aufgefressen würden.

          Wie eine Abschaffung der Kalten Progression gegenfinanziert werden kann, ist aber strittig. Schmidt schlug dazu den Abbau von Steuersubventionen vor. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel forderte Schäuble im „Focus“ auf, härter gegen Steuerflucht vorzugehen. Allein durch Steuersparmodelle von Unternehmen verliere die Bundesrepublik jedes Jahr 25 Milliarden Euro.

          Grünen-Chefin Simone Peter argumentierte dagegen in der „Welt am Sonntag“: „Es ist absurd, angesichts von Schuldenbremse und Investitionsstau über Steuersenkungen auf Pump zu diskutieren. ... Wer bei unteren und mittleren Einkommen entlasten will, muss an die Sozialbeiträge ran, nicht an die Steuern.“

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