Proteste : Wassergebühr lässt Irland erbeben
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Proteste gegen die geplante Wasserabgabe in Irland Anfang November Bild: AP
Jahrelang haben die Iren ein Sparprogramm nach dem anderen ertragen. Jetzt entzündet sich der Volkszorn an einer vermeintlichen Marginalie: einer Gebühr für den privaten Wasserverbrauch. Die Proteste sind gewaltig.
Sechs Jahre lang haben die Iren die Zähne zusammengebissen und ein Sparprogramm ihrer Regierung nach dem anderen ertragen. Doch jetzt entzündet sich der Volkszorn auf der Grünen Insel an einer vermeintlichen Marginalie. Was anderswo eine Selbstverständlichkeit ist, soll demnächst auch in Dublin, Cork und Donegal gelten: Als letzter Industriestaat führt Irland eine Gebühr für den privaten Wasserverbrauch ein. Bisher dagegen kann jedermann auf der regenreichen Insel den Wasserhahn daheim gratis aufdrehen.
Niemand hat die Wucht dieser Protestwelle vorhergesehen: Es gibt Bombendrohungen, Kleinbusse des irischen Wasserversorgers Irish Water werden angezündet. In manchen Gegenden von Dublin machen militante Gegner der neuen Abgabe regelrecht Jagd auf Installateure, deren undankbare Aufgabe es ist, Wasseruhren in den Wohnhäusern zu installieren. Am Wochenende saß die Sozialministerin und stellvertretende irische Ministerpräsidentin, Joan Burton, zweieinhalb Stunden in ihrem Dienstwagen fest – eingekeilt von einem gewalttätigen Mob, der gegen die Wassergebühr zu Felde zog. Es flogen Ziegelsteine und Eier. Auch Irlands Regierungschef Enda Kenny wurde von Demonstranten bedrängt.
Dabei gelten die Iren als die duldsamen Musterknaben unter den Schuldensündern in der Europäischen Währungsunion. In den vergangenen Jahren haben Bürger den harten Sparkurs ihrer Regierung zur Sanierung der Staatsfinanzen mitgetragen. Anders als in den südeuropäischen Krisenstaaten gab es in Irland zwar viel Wut und Frust, aber keine Randale auf den Straßen – bisher jedenfalls. Ende 2013 hat Irland als erstes Krisenland des Euroraums das Notprogramm verlassen und steht seither finanziell wieder auf eigenen Beinen. Die irische Wirtschaft erholt sich von der tiefen Rezession der vergangenen Jahre: Die EU-Kommission erwartet, dass Irland mit einem Wirtschaftswachstum von 4,6 Prozent dieses Jahr Spitzenreiter in Europa sein wird.
Wenn da nur nicht der erbitterte Streit ums Wasser wäre. Der hat in Irland allerdings eine lange Tradition: In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Gebühren zuerst abgeschafft, dann wieder eingeführt und schließlich – nach heftigen Protesten – wieder abgeschafft. Dass die brisante Abgabe nun wieder auf die Tagesordnung gekommen ist, liegt an dem 68 Milliarden Euro schweren Rettungskredit, den Irland vor vier Jahren vom Internationalen Währungsfonds (IWF) den anderen Euro-Staaten erhalten hat, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Die Einführung der Wassergebühr zählt zu den Auflagen, welche die Iren als Gegenleistung für das Darlehen erfüllen mussten. Sie soll Einnahmen von rund einer halbe Milliarde Euro im Jahr bringen.
Im Oktober gingen in der Hauptstadt geschätzte 50000 Bürger gegen das Gesetzesvorhaben auf die Straße. Auf Plakattafeln wetterten die Wasser-Rebellen gegen das „Ministerium für Durst“. Planungspannen und ein Kommunikationschaos schürten den Ärger weiter. Zwar sind die rund 1,7 Millionen Haushalte im Land seit Oktober aufgefordert, sich für die Abgabe registrieren zu lassen. Doch bis heute ist unklar, wer nun eigentlich in Zukunft wie viel bezahlen muss.
Die Sozialministerin Burton bezifferte die jährlichen Kosten für eine vierköpfige Familie vor zwei Wochen mit weniger als 200 Euro. Ein Sprecher von Regierungschef Kenny widersprach umgehend, es gebe bisher noch keine Entscheidung über die Höhe der Abgabe. Klar ist bisher nur, dass einiges schief gelaufen ist. Diesen Monat entschuldigte sich die Regierung bei den Bürgern: Beim Aufbau des neuen halbstaatlichen Versorgungsunternehmens Irish Water seien „schwerwiegende Fehler“ gemacht worden.