Studie : Der Mindestlohn verfehlt sein Ziel
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Putzen für mindestens 8,50 Euro in der Stunde. Bild: dpa
Manche Menschen arbeiten und müssen trotzdem mit Hartz IV aufstocken. Dagegen sollte der Mindestlohn helfen. Ausgerechnet Forscher der Bundesagentur für Arbeit sagen jetzt: Das funktioniert nicht.
Gerade erst wird er eingeführt, von 2015 an erst soll er gelten - doch der Mindestlohn von 8,50 Euro wird einige Erwartungen verfehlen, die die Bundesregierung an ihn hatte. Wissenschaftler der Bundesagentur für Arbeit haben berechnet, dass lediglich zwischen 43.000 und 64.000 berufstätige Hartz-IV-Bezieher durch die staatliche verordnete Lohnerhöhung den Sprung aus der Grundsicherung schaffen können. Das sind nicht einmal 5 Prozent aller rund 1,3 Millionen „Aufstocker“, die neben einem Arbeitseinkommen auch noch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Damit erfährt ein Großprojekt der großen Koalition eine weitere Schlappe. Im Januar war durch einen Bericht dieser Zeitung bekannt geworden, dass die Zahl der Aufstocker über Jahre falsch berechnet und überschätzt worden war. Diese Daten hatten im Wahlkampf SPD, Linken und Grünen als Argumentationshilfe für den flächendeckenden Mindestlohn gedient, damit alle Menschen von ihrer Hände Arbeit leben könnten. Die Union, die vor der Wahl noch für tarifliche Branchenlösungen geworben hatte, trägt in der Regierung das Modell mit, obwohl Wissenschaftler und Arbeitsmarktbeobachter seit langem darauf hinweisen, dass die Aufstockerproblematik komplexer ist.
Das hat nun auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Arbeitsagentur in Nürnberg gehört, nochmals klar gestellt. Denn bei den Aufstockern kommen oft mehrere Probleme und Arbeitsmarkthemmnisse hinzu. Niedrige Löhne sind nur ein Teil davon. Im Durchschnitt verdienen Aufstocker 6,20 Euro in Deutschland, wobei die Spreizung von unter 5 Euro für einen Single im Osten bis zu 10 Euro geht, die jeder Fünfte in einem Paarhaushalt im Westen bekommt.
Für die Frage, ob ein Haushalt zusätzlich Hartz IV braucht, spielt dessen Größe eine wichtige Rolle sowie die Frage, ob es sich um Alleinverdiener handelt. Zudem sind Aufstocker laut IAB häufig schlecht qualifiziert, gerade die Alleinstehenden haben häufiger keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung. Und mehr als drei Viertel der Betroffenen arbeiten in Teilzeit, das Gros weniger als 22 Stunden in der Woche.
Für künftige Mindestlohnbezieher, die den Sprung aus Hartz IV nicht schaffen, bleibt am Ende kaum etwas von der Erhöhung hängen. Weil der Mehrverdienst mit dem Arbeitslosengeld II gegengerechnet wird, blieben am Ende „lediglich 10 bis 12 Euro“ übrig, heißt es in der Studie.
Das Sparpotential für den Staat durch den Mindestlohn beziffern die Wissenschaftler jährlich auf 700 bis 900 Millionen an Arbeitslosengeld II. Allerdings müssten davon die Kosten für mehr Wohngeld und Kinderzuschlag gegengerechnet werden, die durch neue Ansprüche entstünden. Am Ende würden die Haushalte um 500 bis 650 Millionen Euro an Ausgaben entlastet. Für den Staat ergibt sich eine Gesamtentlastung von bis zu 3 Milliarden Euro, wenn man die angenommenen Sozialabgaben und Steuern dazu zählt.
Allerdings gilt für alle Berechnungen die Annahme, dass der Mindestlohn kurzfristig keine Änderungen auf Arbeitsangebot und -nachfrage hat; dass Arbeitgeber also bereit sind, den Mindestlohn zu zahlen. Werden die Aufstocker stattdessen arbeitslos, steigen die Kosten. Einige Wissenschaftler haben Beschäftigungsrückgänge im sechsstelligen Bereich berechnet, andere erwarten kaum Änderungen.