
Großbauprojekte : Milliardengräber
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Berliner Flughafen, Stuttgarter Bahnhof und Hamburger Elbphilharmonie: Öffentliche Bauvorhaben kosten fast immer mehr als versprochen. Bauindustrie und Politik lügen die Kosten von Großbauten herunter.
Selbst wer den Sinn oder wenigstens den Zauber der Großprojekte Berliner Flughafen, Stuttgarter Bahnhof und Hamburger Elbphilharmonie anerkennt, muss inzwischen von kalter Wut erfasst werden. Die maßlosen Kostenüberschreitungen bei diesen öffentlichen Vorhaben sind längst kein wirtschaftliches Problem mehr, sie stellen die politische Legitimität der Projekte in Frage.
Die drei Beispiele teilen mit nahezu allen anderen Großprojekten, dass der Bürger über den finanziellen Aufwand, die Bauzeit und den ökonomischen Nutzen belogen wird - und zwar von Politikern wie von der beauftragten Bauindustrie. Beide sagen den Bürgern wider besseres Wissen die Unwahrheit.
Großbauprojekte sind immer teurer als versprochen
Die triviale Wahrheit ist, die Projekte sind immer teurer. Nach Studien des Oxford-Professors Bent Flyvbjerg sind Bahngroßprojekte im Schnitt 45 Prozent teurer als versprochen, Flughäfen beanspruchen 40 Prozent mehr, und große Tunnel werden im Schnitt um 34 Prozent teurer. Der Stadtplaner kommt zu Zahlen, nachdem er Hunderte Großvorhaben weltweit analysiert hat.
Die Gründe für die zum Teil grotesken Planabweichungen sind reichlich dokumentiert. Mal abgesehen von inkompetenten Planern und selbstverliebten Architekten, geht es offenkundig um ein System, das die Beteiligten korrumpiert.
Die Firmen, die sich um den Bau eines Bauprojektes bewerben, kalkulieren damit, dass das von ihnen eingereichte Angebot die eigenen Kosten nicht deckt. Sie glauben das machen zu müssen, weil sie sonst den Auftrag nicht bekämen. Die Rechnung kann für die Baufirma aber trotzdem aufgehen. Das Gewinn wird von einer Abteilung hereingeholt, die sich längst zur wichtigsten in Baufirmen gemausert hat: der Abteilung für Nachtragsmanagement.
Geringere Baukosten sind politisch leichter zu verkaufen
Dort sitzen Juristen neben Bauingenieuren, die akribisch prüfen, ob die vom Baukonzern während der Bauphase abverlangten Leistungen noch im Rahmen des ursprünglichen Auftrags liegen oder aber von ihm abweichen. Jede Abweichung führt gnadenlos zu zusätzlichen Rechnungen, sei es eine andere Farbe, ein zusätzlicher Konzertsaal, ein anderer Fenstertyp oder ein bisschen mehr Lärmschutz. Sie sind so kalkuliert, dass die Konzerne hier den Gewinn holen. Preisdrückende Konkurrenz gibt es hier nicht mehr.
Baupolitiker kennen das Phänomen natürlich, aber sie lassen sich darauf ein, weil geringere Baukosten besser in die Haushaltspläne passen und politisch leichter zu verkaufen sind. Es hält die Politik auch nicht von den teuren Änderungswünschen an laufenden Projekten ab und von Einwendungen, die Baufortschritte verzögern und so verteuern. So gibt es ein stilles Arrangement zwischen Politik und Industrie mit dem Zweck, die kühle Wahrheit vor den Bürgern zu verstecken. Diese Verschwörung ist an sich schon skandalös und wird umso schlimmer, wenn man ins Kalkül zieht, dass jede Überbezahlung bedeutet, das anderes eben nicht gemacht werden kann. Der Gedanke, dass wegen der Fehlplanung der Elbphilharmonie Schulen baulich verrotten, dürfte auch manchen Freund der klassischen Musik nicht unberührt lassen.
Wie kommt man nun aus dieser Nummer heraus? Eine einfache Möglichkeit wäre es, auf die Baukosten in den Angeboten immer einen 35-Prozent-Aufschlag zu addieren, um der Wahrheit näher zu kommen. Mit dieser Summe sollte das Projekt zur politischen Entscheidung gestellt werden. Zugleich müssen die Auftraggeber bei Nachträgen Härte zeigen. Politiker selbst müssen endlich ihrer Pflicht nachkommen, ihre Änderungswünsche an Bauprojekten öffentlich zu machen - einschließlich der finanziellen Folgen und des Ausmaßes der entstandenen Verzögerungen. Vor allem müssen sie den Mut aufbringen, zu einem Projekt nein zu sagen, das zwar sinnvoll klingt, aber unkalkulierbare Kosten provoziert.