Neue Schiedsgerichte : Wenn der Kunde mit dem Unternehmen streitet
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Noch ist die Freude über die Einkäufe groß. Bild: dpa
Unzufriedene Verbraucher können sich künftig an Schiedsstellen wenden. Den Unternehmen soll das sogar Geld sparen.
Deutschland muss ein flächendeckendes Netz von Schiedsstellen für Streitigkeiten zwischen Unternehmen und ihren Kunden aufbauen. Das sieht ein „Verbraucherstreitbeilegungsgesetz“ von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor, dessen Entwurf dieser Zeitung vorliegt. Jeder Dienstleister und Verkäufer muss seine Kunden hiernach darauf hinweisen, an welche Schlichtungsstelle sie sich wenden können. Für Branchen, in denen es noch keine solche Einrichtung gibt, müssen die Bundesländer Auffangstellen einrichten.
Die Teilnahme an den Verfahren ist zwar für beide Seiten freiwillig: Weder Verbraucher noch Anbieter müssen – von einigen Ausnahmen abgesehen – daran teilnehmen. Doch bezahlen muss das ganze System, das auf eine verbindliche Richtlinie der EU zurückgeht, die Wirtschaft. Soweit deren Verbände nicht bereits eine Schlichtungsstelle betreiben oder sie nun einrichten, kostet betroffene Firmen ein Fall vor der Auffangstelle 290 Euro.
Wer nicht will, geht vor Gericht
„In vielen Branchen gibt es keine spezifischen Schlichtungsangebote“, oder sie seien nicht speziell auf Verbraucherangelegenheiten ausgerichtet, heißt es in der Gesetzesbegründung. Verbraucher müssten aber nach den Brüsseler Vorgaben nunmehr die Möglichkeit bekommen, ihre Rechte in einem außergerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Für Verbraucher sei es grundsätzlich kostenlos, heißt es weiter. Dadurch sollen Kunden, die bei geringen Streitwerten eine Klage vor Gericht scheuen, einen Anreiz erhalten, ihre Rechte durchzusetzen.
Aber auch den Unternehmen komme das Verfahren zugute: Kosten und Verfahrensdauer dürften hier geringer ausfallen als in der Justiz; zudem führe eine einvernehmliche Konfliktlösung eher zu einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung. Der Schlichtervorschlag muss normalerweise innerhalb von 90 Tagen vorliegen. Die Beteiligten müssen ihn aber nicht akzeptieren, sondern können stattdessen einen regulären Zivilprozess einleiten.
Schlichtungsstellen gibt es bereits beispielsweise für Banken, Versicherer und Verkehrsunternehmen wie Bahnen oder Fluglinien, wo sie oft als Ombudsleute bezeichnet werden. Künftig werden sämtliche Wirtschaftszweige erfasst; ausgenommen sind nur das Gesundheitswesen und staatliche Bildungseinrichtungen. Die Stellen müssen bestimmte Anforderungen an ihr Fachwissen und ihre Unabhängigkeit erfüllen, was von staatlichen Behörden geprüft wird. Die Schlichter sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur „Alternative Dispute Resolution“ (ADR) sollen zudem 16 Gesetze geändert werden. Die Bundesländer werden möglicherweise einen Staatsvertrag miteinander aushandeln, um beispielsweise die Verfahrensordnungen zu vereinheitlichen. Eine Umsetzung ist europarechtlich bis zum kommenden Juli vorgeschrieben. Für Streitigkeiten mit Anbietern im Ausland wird außerdem ein Online-Verfahren eingerichtet.
Die Mehrkosten für Bund, Länder und Wirtschaft ließen sich noch nicht beziffern, schreibt das Ministerium schließlich. Diese Bürokratie-Kosten seien jedoch angesichts der Vielzahl neuer Informationspflichten „unvermeidlich“. Finanzielle Mehrbelastungen für Unternehmen ergäben sich – im Gegensatz zu den Bürgern – zudem aus der Teilnahme an einer Schlichtung, weil auch die privaten Stellen ein „angemessenes Entgelt“ verlangen könnten.