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George Orwell : Darum wird „1984“ plötzlich wieder zum Bestseller

Das Buch „1984“ ist beim Online-Händler Amazon momentan ausverkauft. Bild: AFP

Der „Große Bruder“ oder auch das „Wahrheitsministerium“: Trumps Präsidentschaft erinnert viele an George Orwells Roman „1984“. Das Buch von 1948 ist in Amerika derzeit ausverkauft.

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          In George Orwells düsterem Roman „1984“ über einen totalitären Überwachungsstaat steht: „Die Partei lehrte einen, der Erkenntnis seiner Augen und Ohren nicht zu trauen. Das war ihr entscheidendes, wichtigstes Gebot.“ Diese Sätze werden in den Tagen nach der Vereidigung von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten oft auf Twitter zitiert.

          Roland Lindner
          Wirtschaftskorrespondent in New York.

          Obwohl Fotos deutlich zeigten, dass bei Trumps Amtseinführung am 20. Januar viel weniger Menschen waren als bei seinem Vorgänger Barack Obama vor acht Jahren, behauptete Sean Spicer, der Sprecher des Weißen Hauses, steif und fest, keine andere Vereidigung habe jemals ein so großes Publikum gehabt. Trumps Beraterin Kellyanne Conway setzte am Tag danach sogar noch mal einen drauf. Als sie Spicer mit den Worten verteidigte, er habe ja nur „alternative Fakten“ geliefert. Die Formulierung wurde sofort auf der ganzen Welt zum geflügelten Wort für die Beschönigung einer Lüge.

          „Big Brother is watching you“

          Und Orwells 1948 herausgekommener Roman ist auf einmal wieder ein Verkaufsschlager. In den vergangenen Tagen kletterte das Buch auf der Bestsellerliste des Online-Händlers Amazon auf den ersten Platz, und es ist im Moment sogar ausverkauft. Auf der deutschen Amazon-Seite steht das Buch ebenfalls an der Spitze, wenngleich es im Moment noch lieferbar ist. Auch die Bestsellerliste von Apple für digitale Bücher wird derzeit von „1984“ angeführt. Der Verlag Penguin, der das Buch herausgibt, teilte mit, er habe 75000 zusätzliche Exemplare des Titels nachdrucken lassen.

          Auf Twitter und anderswo haben viele Menschen auf Parallelen im Auftreten Donald Trumps und seiner Berater und der düsteren Zukunftswelt von George Orwell hingewiesen. Etwa auf den Personenkult um den „Großen Bruder“ („Big Brother“), den möglicherweise fiktiven Diktator des Überwachungsstaates. Oder „Neusprech“, der vom Regime propagierten vereinfachten Sprache, die kritisches Denken der Bürger unterbinden soll. Oder „Doppeldenk“, das Akzeptieren zweier widersprüchlicher Überzeugungen. Oder das „Wahrheitsministerium“, dessen Aufgabe es ist, im Dienste der Propaganda des Regimes Geschichte umzuschreiben und Fakten in seinem Sinne zu verändern.

          Trump-Sprecher Spicer : „Es ist unsere Absicht, Sie nie anzulügen“

          Verkauf stieg bereits nach NSA-Skandal an

          Auf der Seite von Amazon haben in den vergangenen Tagen etliche Kunden Rezensionen des Buches hinterlassen. In einer Besprechung hieß es: „Orwell dachte an die Trump-Regierung, als er diesen Romanklassiker geschrieben hat. Sehr furchteinflößend, die Menschen müssen dieses Buch mehr denn je lesen.“ Ein anderer Amazon-Kunde schrieb: „Sehr relevant für die Zeit, in der Wissenschaftler zum Schweigen gebracht und Einwanderer attackiert werden, und in der sich die Vereinigten Staaten in eine Welt alternativer Fakten bewegen.“ In der Kurzbeschreibung von Amazon selbst heißt es: „Orwells Narrativ ist zeitgemäßer denn je.“

          Es ist nicht das erste Mal, dass aktuelle Ereignisse das Geschäft mit „1984“ ankurbeln. Auch nachdem Edward Snowden im Jahr 2013 Spionageprogramme der amerikanischen Geheimdienste publik machte, stiegen die Verkaufszahlen. „1984“ ist derweil nicht das einzige Buch über totalitäre Regimes, das im Moment auf verstärktes Interesse stößt. Unter den zehn meistverkauften Büchern auf der amerikanischen Amazon-Seite finden sich auch die Romane „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley und „Das ist bei uns nicht möglich“ von Sinclair Lewis.

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