Geldpolitik : Die EZB unternimmt einen kleinen Schritt Richtung Kurswechsel
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EZB-Zentrale in Frankfurt: An diesem Donnerstag trafen sich die Währungshüter allerdings nicht zuhause am Main, sondern in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Bild: dpa
Die Euro-Währungshüter um Mario Draghi beginnen mit dem Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik. Mit der kleinen Änderung einer Formulierung.
Die Führung der Europäischen Zentralbank geht Schritt in Richtung einer strafferen Geldpolitik. Die Währungshüter um Mario Draghi änderten eine Formulierung in ihrer offiziellen Mitteilung, die erst einmal unbedeutend klingt, in der Sprache der Geldpolitiker aber Gewicht hat: Sie sogt nun nicht mehr voraus, dass die Leitzinsen von ihrem derzeitigen Niveau aus auch noch tiefer sinken könnten. Während der Pressekonferenz nach der Sitzung der Notenbanker, die sich dieses Mal in der estnischen Hauptstadt Tallinn trafen, sagte Draghi außerdem, dass die Wachstumsrisiken für die Währungsunion „weitgehend ausgeglichen“ statt „abwärtsgerichtet“ seien.
Nachdem die Notenbank seit April monatlich nicht mehr für 80 Milliarden Euro, sondern für 60 Milliarden Euro Wertpapiere kauft, ist auch die Deutung zulässig, dass dies der zweite Schritt des Ausstiegs aus ihrer sehr expansiven Geldpolitik ist. Allerdings bleibt die Maßnahmen weiterhin so ausgestaltet, dass sie die Wirtschaft stark unterstützen sollen: Den Leitzins beließen die Euro-Währungshüter auf null Prozent. Den Zins, den Banken für ihre Einlagen auf ihren Konten bei der Notenbank zahlen, beließen die Notenbanker auf 0,4 Prozent.
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„Längst überfällig“
Die Volkswirtschafts-Professorin Isabel Schnabel kritisierte die neuen Beschlüsse als zu zaghaft. „Trotz der kräftigen Erholung im Euroraum bewegt sich die EZB nur im Schneckentempo in Richtung eines Ausstiegs aus der ultra-lockeren Geldpolitik. Das könnte sich später rächen“, sagte die Wirtschaftsweise der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Die EZB bewegt sich im Kriechgang auf den Ausstieg aus ihrer lockeren Geldpolitik zu“, kommentierte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, die Entscheidung.
Für den ING-Diba-Chefökonomen Carsten Brzeski ist das der erste „Baby-Schritt“ in Richtung eines langsamen Abschmelzens der Anleihenkäufe. „Eine minimale und lange überfällige Anpassung, aber bei weitem nicht das, was notwendig wäre“, befand der Geldpolitik-Professor Volker Wieland, der dem Sachverständigenrat angehört (fünf Weise).
Die Euro-Währungshüter bekräftigten zudem, dass die besonders in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe noch bis mindestens Ende dieses Jahres fortgesetzt werden. Die EZB sei aber weiter im Notfall bereit, das Kaufprogramm hinsichtlich seines Umfang und/oder seiner Dauer zu verstärken - auch das eine Formulierung aus dem Notenbanker-Wortschatz, die beibehalten worden ist.
Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von nahe 2 Prozent in der Währungsunion insgesamt an. Nach einem Anstieg zu Beginn des Jahres ist die Inflationsrate in vielen Ländern, auch in Deutschland, zuletzt aber wieder etwas zurückgegangen. Wichtiger Treiber ist jeweils die Veränderung des Ölpreises gewesen.