
Kommentar : Vorsicht vor dem Grundeinkommen!
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Ein Geldbad: So warb eine Schweizer Initiative fürs Grundeinkommen. Bild: AFP
Finnland testet das bedingungslose Grundeinkommen. Und die Freunde der Initiative jubeln. Aber Vorsicht: Noch bleiben viele Fragen offen.
Grundeinkommen! Grundeinkommen! Seit Januar testet Finnland ein bedingungsloses Grundeinkommen – und in dem Maß, in dem sich dieser Versuch bei den Deutschen herumspricht, ist die Aufregung unter den Fans eines bedingungslosen Grundeinkommens groß. In Finnland könne man sehen, dass das Grundeinkommen die Menschen nicht faul macht: Obwohl der Staat monatlich einfach so Geld überweist, würden die Finnen gar nicht faul, heißt es, sie würden studieren und neue Unternehmen gründen.
Nicht so schnell. Ob ein Grundeinkommen gut oder schlecht ist, hat mit dem Ausgang des finnischen Experiments wenig zu tun.
Immer noch vereinigen sich in der Idee eines Grundeinkommens zwei gedankliche Strömungen: Befürworter von links wollen die Menschen vom Joch der Arbeit befreien; sie rechnen eher mit höheren Grundeinkommen: Eine Schweizer Initiative forderte 2500 Franken im Monat. Befürworter aus der liberalen Ecke wollen Sozialleistungen vereinfachen und sinnvolle Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen: Wenn das Grundeinkommen auch bei niedrigen Gehältern nicht wegfällt, wird der Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Arbeit leichter. Diese Fraktion rechnet eher mit niedrigen Grundeinkommen um 700 Euro. Finnland zahlt in seinem Versuch 560 Euro.
In unterschiedlichen Rechnungen kann das finanzierbar sein, wenn der Staat die übrigen Sozialleistungen streicht.
Gibt es bald sowieso keine Arbeit mehr?
Mancher sagt: Mit einem Grundeinkommen müssten die Arbeitgeber die Löhne für unbeliebte Aufgaben vielleicht anheben. Denn wenn niemand mehr zum Arbeiten gezwungen ist, blieben die unbeliebten Stellen sonst vielleicht unbesetzt. Andere glauben: Weil Computer künftig die ganze Arbeit übernehmen, gibt es sowieso keine Arbeit mehr, die die Menschen machen könnten – das Arbeitslosengeld würde automatisch zum Grundeinkommen.
Trotzdem bleibt eine Reihe von Fragen.
Erstens: Es gibt Befürchtungen, die Löhne würden mit einem Grundeinkommen sogar sinken. Denn dann hätten die Arbeitgeber keine soziale Verantwortung mehr. Wenn sie nicht mehr für das Überleben der Angestellten verantwortlich wären, könnten sie sich große Teile des Lohns sparen. Dieses Argument mag man für überzeugend halten oder nicht – das finnische Experiment gibt darauf keine Antwort, denn es umfasst nur 2000 zufällig ausgeloste Bürger, die vorher arbeitslos waren. Diese Gruppe ist viel zu klein, um die Auswirkungen auf Beschäftigungsdynamik zu sehen.
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Zum AngebotZweitens: Wenn die Menschen Geld bekommen, ohne zu arbeiten – glauben dann viele Leute, dass sie ohne Arbeit glücklich werden? Verzichten sie auf die Arbeit – und übersehen, dass kaum etwas Menschen so unglücklich macht wie dauerhafte Arbeitslosigkeit, weil Arbeit eben nicht nur Geld bringt, sondern auch eine Tagesstruktur, Identität und soziale Kontakte?
Drittens: Arbeiten angesichts eines Grundeinkommens noch so viele Leute, dass das Grundeinkommen überhaupt erwirtschaftet werden kann? Wenn es um die letzten beiden Fragen geht, jubeln die Freunde des Grundeinkommens über den finnischen Versuch besonders laut: Viele Teilnehmer würden nicht faul, sondern nähmen sich das Geld für ein Studium oder eine Existenzgründung, zum Beispiel für ein eigenes Designbüro.
Finnland lässt viele Fragen offen
Genau das kann man aber aus dem finnischen Experiment überhaupt nicht lernen. Denn das Geld fließt nur zwei Jahre lang. Wer in dieser Zeit nichts tut, steht anschließend so blöd da wie vorher. Mit einem ernsthaft eingeführten Grundeinkommen hat das nichts zu tun.
Noch weniger sagt das finnische Experiment darüber, wie das Grundeinkommen auf die Motivation pubertierender Schüler wirkt, die für alles einen Sinn haben, außer fürs Lernen.
Und überhaupt nichts lernt man darüber, ob Finnlands Wirtschaft noch funktioniert, wenn alle Leute Designbüros eröffnen statt in den Branchen zu arbeiten, die nachgefragt werden.
Ob es aber in 50 Jahren überhaupt noch Arbeit im herkömmlichen Sinn gibt – das kann man für wahrscheinlich oder für unwahrscheinlich halten. Die Frage entscheidet sich auf jeden Fall nicht in den laufenden zwei Jahren in Finnland.