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EZB-Präsident : Draghi warnt vor den Folgen der Geldpolitik

EZB-Präsident Mario Draghi Bild: AP

EZB-Präsident Mario Draghi hat erstmals öffentlich und ausführlich über mögliche kritische Nebeneffekte einer lockeren Geldpolitik gesprochen. Der Erfolg dürfe nicht blind machen für die Risiken für die Vermögensverteilung und Finanzstabilität.

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          Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat erstmals öffentlich  in größerer Ausführlichkeit über mögliche kritische Nebeneffekte einer lockeren Geldpolitik gesprochen. In einer Rede beim Internationalen Währungsfonds in Washington sagte der Zentralbank-Chef, der bisherige Erfolg der Politik dürfe nicht blind machen für die Risiken. Konkret sprach Draghi über die Folgen für die Vermögensverteilung und  für die Finanzstabilität.

          Winand von Petersdorff-Campen
          Wirtschaftskorrespondent in Washington.

          In der ganzen Welt werden Zentralbanken zunehmend für ihre Politik des lockeren Geldes kritisiert, die neue Gefahren für die Finanzstabilität herauf beschwörten und eine Vermögens-Umverteilung begünstigten.

          Geldpolitik habe stets Verteilungswirkungen, entgegnete  der Notenbanker. Eine Politik, die Deflation bekämpfe, reduziere zwangsläufig die Zinserträge der Sparer und erleichtere die Zinslast der Schuldner. Gleichzeitig seien Zinssenkungen aber nötig, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stimulieren, indem man Unternehmen und Privatleute zum Geld ausgeben ermutigt.

          Draghi: Kapitalbeschaffung ist billiger geworden

          Draghi räumte ein, dass die Geldpolitik der niedrigen Zinsen und die Anleihekäufe den Wert von Finanzanlagen nach oben getrieben und damit deren Besitzer begünstigt hätten. Wichtiger sei aber, dass gleichzeitig die Kapitalbeschaffung billiger geworden sei: Unternehmer kommen nach Draghis Worten günstiger an Eigenkapital. Für Investoren und Konsumenten sänken die Kreditkosten. Überdies: Verteilungswirkungen wären auch entstanden, wenn sich die EZB ihrem Mandat verweigert hätte, sagte  der Italiener. Junge Haushalte, die häufig Nettoschuldner seien, hätten in einem Deflationszenario unter einem steigendem Realwert der Kredite gelitten, während ältere Haushalte als Nettosparer profitiert hätten.  

          Draghi gab in der Rede aber zu, dass eine lange Phase niedriger Zinsen ungewünschte Konsequenzen haben kann, die gerade in alternden Gesellschaften eine Rolle spielten. So könnten sich Leute, die für ihren Ruhestand sparten, durch die Niedrigzinsen veranlasst sehen, noch mehr zu sparen, statt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch zusätzlichen Konsum zu beflügeln.  Doch sei es nicht im Interesse dieser Sparer, wenn die Europäische Zentralbank ihr Mandat vernachlässige. Im Gegenteil sei es im Interesse der langfristig orientierten Sparer, wenn eine Volkswirtschaft ohne Verspätung ihr Wachstumspotential ausschöpfe. Denn am Ende spiegelten die Finanzanlagen nichts anderes als den Wohlstand, den eine Volkswirtschaft produziert habe.

          Der Chef der EZB ging auch auf die möglichen Folgen ein, die eine lockere Geldpolitik für Finanzstabilität haben könne. Konkret geht es um die Befürchtung, eine längere Phase der Niedrigzinsen verführe Investoren dazu, exzessive Risiken einzugehen und ihre Bilanzen nicht zu bereinigen. In der Praxis zeige sich allerdings eine andere Entwicklung, sagte Draghi. In vielen Ländern des Euroraums hätten die niedrigen Zinsen es den Banken leichter gemacht, ihre Bilanzen zu entlasten. Auch Schulden von Haushalten und Unternehmen seien zwischen 2012 und 2014 gesunken. Eine wichtige Rolle spiele dabei die Bankenregulierung. 

          So gebe es zur Zeit wenige Hinweise, dass größere finanzielle Ungleichgewichte aufträten. Er sieht im Moment keine Immobilienpreisblase und  kein ungesundes Kreditwachstum. Das zeige, dass eine lockere Geldpolitik nicht zwangsläufig zu neuen Risiken animiere. So sei in der Summe eine gewisse Fehlallokation von Mitteln zwar nicht zu vermeiden, es drohten aber keine Gefahren für die Finanzstabilität.

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