Europäische Union : EU streitet über Bankenabwicklung
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Bankenstadt: wartet gespannt auf die Einigung im Streit über die Bankenabwicklung Bild: dpa
Wie werden marode Banken abgewickelt? Europaparlament und EU-Staaten müssen sich in dieser existentiellen Frage noch einigen. Momentan liegen sie noch weit auseinander.
Der Streit zwischen dem Europaparlament und den EU-Finanzministern über die künftige Abwicklung maroder Banken im Euroraum spitzt sich weiter zu. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der zugleich Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten für die Europawahl ist, will das Thema in dieser Woche gleich zweimal – am Dienstag und Donnerstag – im Straßburger Plenum debattieren lassen.
Nach den Debatten sollen die Abgeordneten die schon im Dezember beschlossene Linie des Parlaments für die laufenden Verhandlungen mit dem Ministerrat und der EU-Kommission („Trilog“) in einer Abstimmung „bekräftigen“. Für die weiteren Verhandlungen ist diese Deklaration voraussichtlich unerheblich.
Dass aber das Parlament mitten in den Verhandlungen über deren Inhalt abstimmt, ist völlig ungewöhnlich. Die Vorsitzende des mit Verhandlungen betrauten Wirtschaftsausschusses, die britische Liberale Sharon Bowles, zeigte sich erbost über Schulz.
Anfang März muss die Einigung stehen
Der CDU-Abgeordnete Burkhard Balz nannte die Zusatzdebatte ein Wahlkampfmanöver des Parlamentspräsidenten. Allerdings sprachen sich auch die Vorsitzenden der anderen Fraktionen – etwa der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion, der Franzose Joseph Daul – für die Plenumsdebatten aus. „Es geht der Parlamentsspitze offenbar nicht um Inhalte, sondern nur um Krawall“, kritisierte Balz. In den laufenden Verhandlungen gehe es um hochkomplizierte Fragen. Der von den EU-Finanzministern im Dezember nach langem Tauziehen gefundene Kompromiss sollte „nicht aus Prinzip torpediert“ werden.
Das Parlament und die EU-Staaten, die ihre eigene Linie für die Pläne zur Bankenabwicklung jeweils im Dezember festgelegt hatten, müssen sich auf einen endgültigen Kompromiss einigen und liegen derzeit noch weit auseinander. Wegen der Europawahl besteht Zeitdruck, eine Einigung muss spätestens Anfang März stehen. Die Parlamentsmehrheit lehnt den Ratskompromiss sowohl aus formalen als auch aus inhaltlichen Gründen ab.
Europäische Verträge ändern?
Grundsätzlich ärgert die Abgeordneten, dass die am geplanten „Abwicklungsmechanismus“ (Single Resolution Mechanism, SRM) beteiligten EU-Staaten einzelne Teile der neuen Regeln in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung (und damit außerhalb des europäischen Rechts) festklopfen wollen. So hat das Parlament keinen Einfluss darauf. Die zwischenstaatliche Vereinbarung betrifft vor allem die Ausgestaltung des Abwicklungsfonds, in den binnen zehn Jahren die Banken einzahlen sollen. An den laufenden Verhandlungen darüber können nur einige Abgeordneten als Beobachter teilnehmen.
Der Ministerrat begründet den zwischenstaatlichen Vertrag mit juristischen Argumenten. Vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betont, es gebe für die Schaffung des Fonds keine Rechtsgrundlage in den europäischen Verträgen. Deshalb müsse der Fonds extra zwischen den Staaten geregelt werden. Dagegen hat der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold ein juristisches Gutachten erstellen lassen, in dem die zwischenstaatliche Vereinbarung als europarechtswidrig eingestuft wird. Dieser Streit wird wohl endgültig erst vor dem Europäischen Gerichtshof gelöst.
Kein Interesse an einer stärkeren Belastung der Banken
Die Parlamentsmehrheit ist über ihre Nichtbeteiligung in dieser Frage aber auch deshalb erbost, weil sie in der Sache von der Linie der Minister abweicht. Sie fordert, dass der Abwicklungsfonds ein größeres Volumen als jene 55 Milliarden Euro bekommen soll, das die Minister beschlossen haben. Außerdem soll nach ihrem Willen der Fonds von den Banken in einem kürzeren Zeitraum als in den von den Ministern avisierten zehn Jahren gefüllt werden. In dieser Forderung erhält das Parlament seit Neuestem Unterstützung von der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die Staaten wollen ihren Kompromiss aber nicht wieder aufknüpfen. Schäuble sagte in der vergangenen Woche, wenn die Banken den geplanten Betrag schneller als in zehn Jahren einzahlen könnten, lasse sich darüber reden. Er habe aber nicht den Eindruck, dass alle Institute dazu in der Lage seien. Die Ressortchefs aus Frankreich und Spanien äußerten sich im gleichen Sinne. Sie haben an einer stärkeren Belastung ihrer Banken kein Interesse.
Kompliziertes Verfahren
Inhaltlichen Streit gibt es auch über jene Teile, über welche die Abgeordneten im Trilog mitentscheiden. Die Parlamentsmehrheit will die Letztentscheidung über die Abwicklung einer Bank der EU-Kommission überlassen, während die Minister ein kompliziertes Verfahren beschlossen haben, in dem sie selbst in Konfliktfällen das letzte Wort haben. Im Parlament wird dieses Verfahren als zu kompliziert kritisiert. So befürchtet der Grüne Giegold, dass die Entscheidung über eine Abwicklung auf diesem Wege nicht wie vorgesehen über ein Wochenende fallen kann.
Außerdem fordert das Parlament, dass der SRM für alle rund 6.000 Banken des Euroraums zuständig sein soll, nicht nur für die von den Ministern geplanten etwa 250 größten. Für zusätzlichen Ärger, der vor allem in die Berliner Regierungskoalition ausstrahlt, sorgte am Freitag ein Brief des stellvertretenden SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Carsten Schneider an die mit dem Abwicklungsdossier befassten Europaabgeordneten. Darin unterstützt er die Parlamentsforderung nach einer kürzeren Einzahlungsfrist und einem höheren Fondsvolumen.
Die geplante Frist von zehn Jahren dauere „viel zu lange“, das Volumen von 55 Milliarden Euro „zu gering“. Ferner nennt Schneider das von den Ministern geplante Entscheidungsverfahren bei einer Abwicklung „kompliziert und schwer in die Praxis umzusetzen“. Zur Forderung der Europaparlamentarier, die Entscheidung der EU-Kommission zu überlassen, äußert sich der SPD-Fraktionsvize nicht. Auch die Kritik des Parlaments am zwischenstaatlichen Vertrag unterstützt Schneider nur halbherzig.
Wie Schäuble spricht er davon, dass dieser „langfristig“ in Gemeinschaftsrecht überführt werden müsse. In der Unions-Bundestagsfraktion hat Schneiders Brief für erheblichen Unmut gesorgt. Es sei nicht akzeptabel, dass sich der sozialdemokratische Koalitionspartner ohne Absprache auf Kosten Schäubles zu profilieren versuche, hieß es.