Ernährungsreport : Schnitzel ist meine Goji-Beere
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Goji-Beeren – nur eine Modeerscheinung? Bild: Picture-Alliance
Die Deutschen lieben Fleisch, sehen Superfood als Modeerscheinung und fordern mehr Tierwohl. Das alles und noch mehr steht im Essensreport, den der Ernährungsminister heute vorgestellt hat.
Die Flut an schick fotografierten Kochbüchern, der Hype ums vegane Leben, die Superfood-Welle, die Foodblogs der Großstadt-Hipster, die Streetfood- und Bauernmärkte: All diese Phänomene sind zwar real und vielbesprochen in den Medien und der Öffentlichkeit – den Kern des deutschen Ess- und Kochverhaltens bilden sie aber offenbar nicht wirklich ab. Der aktuelle Ernährungsreport des Bundesernährungsministeriums, den der zuständige Minister Christian Schmidt (CSU) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat, zeichnet jedenfalls ein anderes Bild: nämlich jenes, dass die Deutschen noch seltener in der Küche stehen als vor einem Jahr, am liebsten Fleisch essen und vor allem wollen, dass es schnell geht am Herd.
Zum zweiten Mal wurden rund tausend Bürger nach ihren Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten befragt. Während 2015 noch 41 Prozent angaben, jeden Tag zu kochen, waren es dieses Mal nur noch 38 Prozent. Dass es schnell gehen muss, sagten dieses Mal 55 Prozent, zuvor waren es nur 45 Prozent gewesen. Unter den 19- bis 29-Jährigen hatten es sogar drei von vier besonders eilig. Der Anteil derjenigen, die gerne mal eine Tiefkühlpizza oder ein anderes Fertiggericht essen, stieg von 32 auf 41 Prozent. Immerhin: Der Anteil der totalen Kochverweigerer sank leicht von 12 auf 11 Prozent.
Modeerscheinung vegane Lebensmittel?
53 Prozent kürten Fleisch zu ihrem Lieblingsessen, 38 Prozent Nudeln, 20 Prozent Gemüse und 16 Prozent Fisch. Pizza kam auf 13 Prozent. Superfood – von Goji-Beeren bis Chia-Samen – hält jeder zweite für eine kurzlebige Modeerscheinung. Bei gluten- und laktosefreien Produkten glaubt das dagegen nur eine Minderheit. Auch bei veganen Lebensmitteln rechnet nur jeder Fünfte damit, dass sie schnell wieder aus den Regalen der Supermärkte verschwinden werden.
„Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme“, sagte Schmidt und kündigte an, dass die Ergebnisse des Reports in seine Politik mit einfließen werden. Dabei zielte er vor allem auf zwei Erkenntnisse ab: Dass die Deutschen offenbar großen Wert legen auf eine bessere Ernährungsbildung ihrer Kinder und eine strengere Kontrolle des Schul- und Kita-Essens. Und dass sie sich mehr Tierwohl wünschen und erkennen wollen, wie die Tiere, deren Fleisch sie kaufen, gehalten wurden.
Alle wollen bessere Tierhaltung
79 Prozent der Deutschen wünschen sich demnach ein staatliches Tierwohllabel – das Schmidt schon angekündigt hat und das er auf der Agrarmesse „Grüne Woche“ noch im Januar vorstellen will. 87 Prozent der Befragten forderten darüber hinaus bessere Bedingungen in der Tierhaltung. Bei den persönlichen Erwartungen an die Landwirtschaft rangiert das Tierwohl mit 70 Prozent sogar leicht über der Qualität der Agrarprodukte mit 69 Prozent. Und: Beinahe neun von zehn Deutschen wären angeblich auch bereit, für Fleisch aus besserer Tierhaltung einen höheren Preis zu bezahlen. Das allerdings, betonte Schmidt, müsse sich dann erst noch zeigen an den Supermarktkassen. „Zum Nulltarif wird es mehr Tierwohl nicht geben.“
Was das Essen im Kindergarten und in der Schule angeht, fordern 90 Prozent der Deutschen verbindliche Qualitätsstandards. Die Eltern verstünden nicht, warum es für jedes Spielgerät auf dem Schulhof strengere Vorgaben gebe als für das Essen, sagte Schmidt und wies darauf hin, dass bislang nur Berlin und das Saarland die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für die Betreuungseinrichtungen verbindlich gemacht hätten. Vor allem in den Großstädten wären Eltern der Umfrage nach bereit, mehr Geld zu bezahlen, wenn ihre Kinder Bio-Essen bekämen. Ebenfalls knapp 90 Prozent der Deutschen wünschen sich ein Schulfach Ernährung – ein Lieblingsthema von Schmidt, das er schon in seinem vergangene Woche vorgestellten „Grünbuch“ vorgeschlagen hatte. Darüber sei er mit den Kultusministern der Länder im Gespräch, sagte er am Dienstag.
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Schmidt will kein Mindesthaltbarkeitsdatum mehr
Schmidt kündigte zudem an, dass noch in diesem Monat das neue „Bundeszentrum Ernährung“ seine Arbeit aufnehmen werde, als „zentrale Stimme für alltagstaugliche, wissenschaftsbasierte Ernährungsempfehlungen“. Es soll bislang verstreute Ernährungsaktivitäten des Bundes bündeln, hinzu kommt noch ein Institut für Kinderernährung. Und noch etwas steht auf Schmidts Agenda: Er will ein „Verbrauchsverfallsdatum“. Das bislang auf den Lebensmitteln aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum hält er für „ein gesellschaftliches Auslaufmodell“. Die Verbraucher wünschten sich stattdessen ein klares Datum, wann ein Lebensmittel tatsächlich nicht mehr genießbar sei.
Er selbst übrigens, ließ der Minister durchblicken, koche sehr gern. Allerdings nicht sehr oft.