Erlaubte Haushaltsdefizite : EU will offenbar Flüchtlingskosten anerkennen
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Flüchtlinge in Österreich Bild: AFP
Die Euro-Länder müssen viel Geld für Flüchtlinge ausgeben. Die Europäische Union wird nun beim erlaubten Staatsdefizit voraussichtlich Ausnahmen zulassen. Aber nicht für alle Länder.
Die EU-Kommission wird die aus der Flüchtlingskrise resultierenden Belastungen für die Haushalte einiger EU-Staaten voraussichtlich als „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne des EU-Stabilitätspakts anerkennen und aus der jeweiligen Defizitkalkulation herausrechnen. Das lassen Äußerungen mehrerer Euro-Finanzminister am Rande des Treffens der Eurogruppe am Montag in Luxemburg erwarten. Der österreichische Ressortchef Hans Jörg Schelling, dessen Land von der Flüchtlingskrise besonders betroffen ist, sagte vor dem Treffen, er habe aus der Kommission schon entsprechende Signale erhalten.
Nach Schellings Angaben wird das österreichische Staatsdefizit wegen der Zusatzausgaben für die Flüchtlinge in diesem Jahr um 0,1 und 2016 um 0,3 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Damit lasse sich die Brüsseler Vorgabe wohl nicht einhalten, das strukturelle, also konjunkturbereinigte Defizit bei null zu halten. Schelling sagte, die Ausnahmeregelung sei durch den Pakt gedeckt. Dieser sieht vor, dass bei „außergewöhnlichen Umständen“ Ausnahmen von den Vorgaben der Brüsseler Haushaltsaufsicht möglich sind. Darunter werden bisher vor allem Naturkatastrophen und schwere Rezessionen verstanden. Ein Defizitverfahren wegen Überschreitens des Maastrichter Defizit-Referenzwerts von 3Prozent des BIP muss Österreich indes ohnehin nicht befürchten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte Verständnis für Österreichs Position, hob aber hervor, dass die Flüchtlingskrise nur in einzelnen Ländern erheblich auf das Staatsdefizit durchschlage. „Das gilt im wesentlichen für Deutschland und Österreich.“ Er habe kein Verständnis, dass sich „Länder, die sich in der Flüchtlingsfrage nicht besonders engagiert haben“, ebenfalls auf die Ausnahmeregelung beriefen.
Damit meint der Minister wohl vor allem Frankreich. Auch der Chef der Eurogruppe, der niederländische Ressortchef Jeroen Dijsselbloem, sagte, die Kommission könne nur in Einzelfällen „außergewöhnliche Umstände“ identifizieren, weil die Flüchtlingskrise nur für einzelne Länder eine erhebliche Belastung darstelle.
Der federführende Währungskommissar Pierre Moscovici will bis zur Monatsmitte erläutern, ob und wie er die Ausgaben für die Flüchtlinge berücksichtigen will. Er ließ in Luxemburg abermals offen, ob er, wie von einigen Ressortchefs offenbar befürchtet, die Flüchtlingskrise generell als Rechtfertigung für zusätzliche Staatsdefizite gelten lassen will. Er sagte, die Integration von Flüchtlingen in die nationalen Arbeitsmärkte erfordere eine „aktive Politik“. In der Diktion des Franzosen sind damit wohl zusätzliche Staatsausgaben gemeint.
Die Minister berieten auch über den Fortgang des dritten Hilfsprogramms der Euro-Staaten für Griechenland. Auf dem Tisch lag eine Liste von 48 Reformmaßnahmen, die Athen in den kommenden zwei Wochen abarbeiten muss, um dann eine erste weitere Kredittranche von 2 Milliarden Euro ausbezahlt zu bekommen. Schäuble sagte, man werde darüber wohl eine politische Einigung erzielen.