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Flüchtlinge : Milliardenrätsel Entwicklungshilfe

Für die wahre Armutsursache in Afrika hält er die „unkontrollierte Macht des Staates über arme Menschen ohne Rechte“. Mehr politische und wirtschaftliche Freiheit seien der Schlüssel für neue Technologien, Handel und Geschäftsideen in Afrika, schreibt er in seinem jüngsten Buch, das der Forscher der New York University „Tyrannei der Experten“ genannt hat. Die Afrikaner selbst will er zu „spontanen Problemlösern“ machen. Die Hilfe der Fachleute aus dem Westen verurteilt Easterly als übergriffig und anmaßend. Seine Kritik hat auch deshalb Gewicht, weil Easterly selbst lange einer der Experten war, die er heute kritisiert. Viele Jahre arbeitete er für die Weltbank, eine der mächtigsten Organisationen der Entwicklungshilfe.

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Easterlys Thesen, die darauf hinauslaufen, die Entwicklungshilfe zu kürzen und zu konzentrieren, sind umstritten. Seit Jahren streitet er öffentlich mit Jeffrey Sachs, seinem größten Widersacher. Sachs, der ebenfalls in New York forscht, ist der geistige Vater der Millenniumsdörfer der Vereinten Nationen, in denen bestimmte Entwicklungsziele mit viel Geld exemplarisch umgesetzt werden. Sachs sieht darin ein Erfolgsmodell. Er plädiert dafür, die Entwicklungshilfe deutlich zu erhöhen und das Geld in länderübergreifenden Fonds zu sammeln. Wenn es besser kanalisiert werde, könne das Nebeneinander und Kleinklein der Staaten und Hilfsorganisationen beendet werden.

Keine robusten, empirischen Belege  für nachhaltige Hilfe

Nach mehr als 50 Jahren Entwicklungshilfe stehen die Forscher somit vor einem Rätsel. „Es gibt mehr als 200 Studien zu dem Thema, aber robuste empirische Belege dafür, dass Entwicklungshilfe das Wirtschaftswachstum nachhaltig fördert, gibt es nicht“, sagt Axel Dreher, der führende deutsche Entwicklungsökonom (Universität Heidelberg). Dreher will positive Effekte dennoch nicht gänzlich ausschließen. „Aber die Effekte können nicht sonderlich groß und stabil sein“, sagt er. In einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Arbeit zeigte Dreher, dass hinter den Hilfsgeldern häufig politische Motive stecken.

So hätten Industriestaaten ihre Zahlungen an Staaten erhöht, die zeitweise Macht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatten – und sich so politische Unterstützung gesichert. Dreher hält es zudem für möglich, dass selbst Projekte, die durchweg positiv evaluiert werden, zum Beispiel neue Brunnen oder Schulen, keinen nennenswerten Effekt haben. Denn möglicherweise hätten nationale Regierungen diese Projekte auch eigenständig durchgesetzt und würden durch die Hilfe einfach nur Geld sparen, das sie dann für weniger sinnvolle Dinge ausgeben. „Fungibilität“, nennen Ökonomen eine solche Verdrängung.

KfW-Vorstand Kloppenburg sieht all das vollkommen anders. Wenn man auf die Lebenserwartung und Indikatoren zur Gesundheit schaue, dann habe sich in den vergangenen 30 Jahren „unglaublich viel verbessert“, sagt er. „Damals war ich in Burundi, heute leben die Menschen dort in einer viel besseren Situation“, sagt er. Vor allem südostasiatische Staaten wie Südkorea, die vor drei Jahrzehnten noch auf Hilfe angewiesen waren, seien auch dank der Entwicklungshilfe zu Wirtschaftsnationen aufgestiegen. Die Entwicklungshilfe zusammenzustreichen, hielte Kloppenburg für fatal. „Man würde eine oder zwei Generationen opfern, in der Hoffnung, dass dann aus dem Chaos heraus etwas Selbständiges entsteht.“

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