Energiepolitik : Streit über Staatshilfen für Atomkraft
- -Aktualisiert am
Neue Atomkraftwerke, von der EU gefördert? Das sei nicht die Absicht, sagt der Sprecher von Wettbewerbskommissar Almunia. Bild: dpa/dpaweb
Die EU-Pläne über die wettbewerbsrechtliche Behandlung staatlicher Subventionen treffen in Deutschland auf Widerstand. Sowohl Opposition, Umweltverbände als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnten ab.
Zwischen Brüssel und Berlin ist ein Streit über die wettbewerbsrechtliche Behandlung staatlicher Subventionen für den Bau von Atomkraftwerken entbrannt. Die Bundesregierung stößt sich an der Absicht der EU-Kommission, allgemeine Leitlinien für die Gewährung von Umwelt- und Energiebeihilfen zu erlassen, die sich auch auf die mitgliedstaatliche Subventionierung des Ausbaus der Kernenergie erstrecken könnten. In Berlin wird offenbar befürchtet, dass die EU-Behörde zumindest mittelbar die deutsche Energiewende hintertreiben will.
Dieser Eindruck ist nach Darstellung des Sprechers von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia aber falsch. Er widersprach am Freitag einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, wonach die Brüsseler Behörde „die Rückkehr der Atomkraft“ vorbereite und künftig die Subventionierung des Baus und Betriebs von Atomkraftwerken fördern wolle. „Die EU-Kommission möchte in keiner Form zu Subventionen für Kernkraft ermuntern“, sagte der Sprecher. Er verwies auf eine Bestimmung des EU-Vertrags, wonach die Mitgliedstaaten die Ausrichtung ihrer Energiepolitik immer autonom bestimmen können. „Es ist an den Mitgliedstaaten, ihren eigenen Energiemix festzulegen“, sagte der Sprecher.
Mitgliedstaaten müssen sich Subventionen von der EU-Kommission genehmigen lassen
Ausgangspunkt des Streits ist die Absicht der Brüsseler Behörde, für den Energie- und Umweltsektor - wie zuvor schon für andere Wirtschaftszweige - sektorspezifische Beihilfe-Leitlinien zu erlassen. Einen entsprechenden Entwurf will Almunia im Herbst vorlegen. Das erklärte Ziel der Leitlinien besteht darin, die wettbewerbsrechtliche Prüfung staatlicher Subventionen nach transparenteren Kriterien als bisher zu erlauben. Als allgemeiner Maßstab dient dabei die ökonomische Marktversagenstheorie: Wenn die Kommission zum Schluss kommt, dass ein bestimmtes Angebot nicht auf dem Markt zu Stande kommt, sind demnach staatliche Subventionen gerechtfertigt (F.A.Z. vom 4. Januar 2006).
In der Regel wird der Bau und Betrieb von Kernkraftwerken schon jetzt staatlich gefördert; die Mitgliedstaaten müssen sich entsprechende Subventionen von der EU-Kommission genehmigen lassen. „Wann immer ein Staat eine Subvention anmeldet, müssen wir sie uns anschauen“, sagte der Sprecher. Es gehe jetzt ausschließlich um die Frage, ob es künftig bei dieser Einzelfallprüfung bleiben oder ob es auch für die Kernkraftförderung Leitlinien geben solle. „Die Frage, ob wir solche allgemeinen Regeln haben sollten und wie sie gegebenenfalls aussehen könnten, bleibt ganz offen.“ In dem betreffenden Arbeitspapier der Kommission sind diese Regeln auch nur als Option genannt.
Nach Angaben aus der EU-Behörde sind sie unter den Kommissaren umstritten. Ob sie in Almunias Entwurf im Herbst enthalten seien, sei komplett offen, hieß es. Im übrigen enthält auch der betreffende Abschnitt des Papiers keine Hinweise darauf, dass die Kommission den Ausbau der Kernkraft fördern will. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte am Freitag indes den deutschen Widerstand gegen die Brüsseler Überlegungen. „Deutschland hat dagegen gestimmt, und das unterstütze ich“, sagte sie in Berlin. Der Widerwille der Bundesregierung bezieht sich offenbar vor allem darauf, dass die EU-Behörde in der Beurteilung von Energie- und Umweltbeihilfen das Prinzip der „Technologieneutralität“ verwirklicht sehen will. Damit ist gemeint, dass in der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Energiesubventionen nicht zwischen der Förderung von erneuerbaren Energien und anderen kohlenstoffarmen Energien wie der Kernkraft unterschieden werden soll. Diese Gleichstellung hätte „potenziell verzerrende und beeinträchtigende Wirkung auf den Wettbewerb, weil eine technologisch marktfähige Technologie mit noch nicht marktfähigen Technologien gleichgesetzt würde“, heißt es in einer Stellungnahme der Bundesregierung. Gemeint ist wohl, dass nur Technologien gefördert werden sollen, die noch nicht marktfähig sind.