EEG-Umlage : Die BASF zeigt, wie Lobby geht
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Kurt Bock, Vorstandsvorsitzender der BASF Bild: obs
Beinahe hätte die BASF 400 Millionen Euro extra für die Energiewende zahlen müssen. Doch plötzlich ist davon keine Rede mehr. Sigmar Gabriel hat sich dem Druck der Strom-Selbsterzeuger gebeugt.
Ein Mittwoch im Januar. Die Managerelite trifft sich, wie jedes Jahr, zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Da platzt eine Nachricht aus einem brandenburgischen Dorf, 60 Kilometer nördlich von Berlin gelegen, in den Schweizer Kurort – und verdirbt manchem dort schlagartig die Laune. Das Kabinett hat in seiner Klausur auf Schloss Meseberg Ungeheuerliches beschlossen: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) langt den Konzernen direkt in die Kasse. Auch wer Strom für den Eigenverbrauch produziert und keine öffentlichen Netze beansprucht, soll darauf künftig die EEG-Umlage berappen: Diese Meldung verbreitet sich schockartig in die Alpen. Hunderte Millionen Euro stehen plötzlich für die Industriellen auf dem Spiel.
Eine Frechheit, aus ihrer Sicht. Man ist entsetzt. „Wenn Sie mit Ihrem Auto nur auf dem Werkshof herumfahren, warum sollen Sie sich dann am Ausbau des Straßennetzes beteiligen?“ So hatte BASF-Chef Kurt Bock im Herbst, nach der Bundestagswahl, schon Pflöcke eingeschlagen. Nach allem, was er an Echo aus Berlin hörte, durfte er hoffen: Die Politik hat das Argument verstanden.
Im Koalitionsvertrag werden die Selbstversorger geschont. Kein Wort davon, sie abzukassieren. An diesem für sie sensiblen Punkt bleibt die Industrie in der Ökostrom-Debatte außen vor. So freundet man sich mit Sigmar Gabriel an, der als Wirtschaftsminister offensichtlich mit Nähe zur Wirtschaft punkten will und für ihre Interessen in Brüssel streitet, kaum dass er ernannt worden ist. „Das kann was werden mit dem Sozi“, lautet der Tenor unter Managern zum Jahreswechsel.
Die Wettbewerbsfähigkeit am Standort war gefährdet
Und dann so was! Völlig unvorbereitet trifft die Industrie der Angriff auf die Strom-Selbsterzeuger. Was auch immer an Vorschlägen zur Energiewende aus dem Regierungslager vorher nach außen drang: die Belastung für den Eigenstrom war nicht dabei.
Zum ersten Mal taucht die Attacke im Anhang der Papiere Gabriels für Meseberg auf. Wie gesagt, das geschah am 22. Januar. Nun, zehn Wochen und diverse Anhörungen später, schließt die Bundesregierung den Sack: An diesem Dienstag beschließt das Kabinett das neue Energiekonzept. Jetzt wieder ohne Angriff auf die Selbstversorger. Unheil abgewendet, die Industrie bleibt an dem Punkt verschont: keine EEG-Umlage für Eigenstrom aus bestehenden Anlagen. Stichwort Vertrauensschutz. Gabriel hat seine Idee zurückgezogen. Die Industrie ist so klug, nicht laut zu triumphieren.
Ein Zufall ist die doppelte Kehrtwende nicht. Und so bietet der Fall Anschauungsmaterial, wie die Mühlen der Gesetzgebung mahlen. Und wie es BASF-Chef Kurt Bock gelingen konnte, 400 Millionen Euro zu sparen. Um so viel Geld ging es, das hatte der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Chemiekonzerns vorsorglich klargestellt: „Allein in Ludwigshafen kämen im Fall einer vollen Belastung von Eigenstrom fast 400 Millionen Euro auf uns zu.“ Damit war der Preis festgelegt, verbunden mit einer kaum verhohlenen Drohung: „Bei solchen Größenordnungen kann man sich vorstellen, dass dies die Wettbewerbsfähigkeit am Standort gefährdet.“
„Ewald-Gelatine“ kommt bei den Wählern besser an
Tatsächlich hat die BASF auf ihrem Gelände hocheffiziente Kraftwerke gebaut, mit einem Wirkungsgrad von rund 90 Prozent. „Fast die gesamte Wärme wird in Nutzenergie umgesetzt. Ein herkömmliches Kraftwerk schafft vielleicht die Hälfte“, erläuterte Bock. „Deshalb finde ich es gerechtfertigt, dass wir befreit sind.“