Deutschland soll Binnennachfrage stärken : EU nimmt Deutschlands Exportstärke ins Visier
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Container im Hamburger Hafen Bild: ddp
Nach der scharfen Kritik aus Amerika an den deutschen Exportüberschüssen knöpft sich auch die EU die deutsche Exportstärke vor. Deutschland muss sich auf eine Sonderuntersuchung durch die EU-Kommission einstellen.
Deutschland muss sich wegen des seit Jahren schon äußerst hohen Leistungsbilanzüberschusses auf eine Sonderuntersuchung durch die EU-Kommission einstellen. Deutschland überschreite den Referenzwert von 6 Prozent der Wirtschaftsleistung seit 2007 und werde ihn voraussichtlich auch 2014 und 2015 überschreiten, sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn am Dienstag in Brüssel bei der Präsentation der Herbstprognose der Europäischen Kommission. Die EU-Behörde werde sich in der kommenden Woche dazu äußern, welche Mitgliedsländer wegen wirtschaftlicher Ungleichgewichte – wie einem hohen Leistungsbilanzüberschuss – auf den Prüfstand kommen.
Rehn warnte davor, aus der Eröffnung eines Verfahrens vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Die Überprüfung makroökonomischer Ungleichgewichte sei nichts Ungewöhnliches. Der Finne rief – auch im Lichte der Koalitionsverhandlungen in Berlin – zu einer nüchternen Betrachtung des Leistungsbilanzüberschusses auf: „Ich dringe auf eine analytische und nicht auf eine politisch motivierte Debatte.“ Welche Schritte Deutschland ergreifen müsse, sei seit dem Sommer klar, sagte Rehn weiter.
Der Ministerrat hatte sich im Juli hinter die Forderung der Kommission gestellt, dass Deutschland die Binnennachfrage stärken soll. Konkret soll die Regierung dazu Löhne – vor allem im Niedriglohnsektor – steuerlich und durch die Senkung der Sozialabgaben entlasten und die Infrastruktur modernisieren.
Deutschland sieht sich wegen seines anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschusses – im Kern der Überschuss von Export über Import –, immer wieder Kritik ausgesetzt. Zuletzt hatte das amerikanische Finanzministerium Deutschland mit ungewöhnlich klaren Worten vorgeworfen, mit seiner „blutarmen Binnennachfrage“ und seinem hohen Leistungsbilanzüberschuss im Euroraum wie auch in der Weltwirtschaft „deflationäre Verzerrungen“ hervorzurufen.
Vereinfacht gesagt, lautet der Vorwurf der Kritiker an den deutschen Überschüssen, dass sich Deutschland durch zu niedrige Löhne Wettbewerbsvorteile verschafft und so die Unternehmen anderer Eurostaaten vom Markt drängt. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft halten dem stets entgegen, dass der Leistungsbilanzüberschuss das Resultat der deutschen Exportstärke ist.