Ukraine-Krise : So wird Deutschland unabhängiger von Russland
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Norwegische Ölplattform in der Nordsee Bild: dpa
Deutschland ist von den russischen Öl- und Gaslieferungen abhängig - sollte Putin sie stoppen, reichen die Vorräte nur für zwei bis drei Monate. Doch es gibt Alternativen.
Das Wichtigste, was Russland für Deutschland zu bieten hat, sind Energierohstoffe: Öl und Gas. Rund ein Fünftel des deutschen Energiebedarfs für Strom und Heizung liefern russische Firmen. Als Reaktion auf die von der EU verhängten Sanktionen hat Russland schon mit Preiserhöhungen gedroht - und damit nicht zum ersten Mal zu erkennen gegeben, dass es Energie als politische Waffe in der Auseinandersetzung einsetzen könnte. Wundern müsste sich darüber keiner: Schon kurz nachdem die ukrainischen Bürger den prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt hatten, verteuerte der Staatskonzern Gasprom seine Lieferungen in die Ukraine.
Sollte Russland die europäischen Sanktionen drastisch kontern, indem es die Energielieferung einstellt (bisher lässt Moskau nur keine West-Lebensmittel mehr ins Land), wäre Deutschland hart getroffen. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin weist darauf hin, dass die deutschen Erdöl-Reserven 59 Tage reichen. Im Falle von Erdgas sind es je nach Witterung 75 bis 80 Tage - und die Reserven liegen zum Teil in Kavernen, die Gasprom gehören.
Das macht die deutsche Abhängigkeit umso heikler. Es wirft die Frage auf, ob man sich ohne große Verluste aus der engen Beziehung lösen kann. Und ob es sinnvoll war, sich mit der Gaspipeline „North Stream“ so eng an das Land zu binden.
Kann Europa Russland ersetzen?
Die erste Möglichkeit, sich von Russlands Lieferungen unabhängiger zu machen, bieten die alten Freunde und Geschäftspartner. Neben Russland ist Norwegen der wichtigste Gaslieferant für Deutschland, vor Holland und Großbritannien. Das Land verfügt über immense Vorkommen an Gas und Öl. Dazu kommt eine einzigartige Konstellation: Die Fördermengen werden fast komplett exportiert, weil die Skandinavier den größten Teil ihres eigenen Energiebedarfs mit Wasserkraft decken. Es bestehen aber Zweifel, ob Norwegen seine Förderung noch nennenswert ausweiten kann. Seit 1993 steigt das Volumen von Jahr zu Jahr, allerdings ging die Produktion 2011 und 2013 zurück. Neue Quellen kann das Land nur noch in unwegsamem Gelände erschließen. Es bleibt unklar, ob da noch etwas zu holen ist.
Interessant ist ein anderes deutsch-norwegisches Energieprojekt: Die beiden Länder wollen ihre Stromnetze mit Leitungen verbinden. Dann könnte Strom aus norwegischer Wasserkraft in Deutschland Gaskraftwerke ersetzen. Aber das kann noch dauern.
Die anderen Stammlieferanten bieten keine großen Chancen. Holland, lange ein wichtiger Gasexporteur, kann zumindest mit konventionellen Fördermethoden nicht mehr zulegen. Auch in Großbritannien, das in der Vergangenheit eine Menge Gas und Öl aus der Nordsee gefördert hat, ist in absehbarer Zeit nicht viel zu holen. Das Land ist seit Jahren mit sinkenden Produktionsmengen aus den alten Vorkommen konfrontiert. Zwar will Premierminister David Cameron mit aller Macht das Fracking gegen Widerstände in der Bevölkerung einsetzen. Aber auch das braucht noch Zeit.
Pipeline-Projekte sind keine Alternative
Die andere Hoffnung Deutschlands und Europas, die Abhängigkeit von russischer Energie zu mildern, besteht in neuen Pipeline-Projekten. Neue Rohrleitungen könnten Gas aus Aserbaidschan und dem Kaspischen Meer nach Westeuropa und Deutschland transportieren, an Russland vorbei. Allerdings sind solche Bauvorhaben sperrig und permanent vom Scheitern bedroht. So ist erst im Sommer 2013 das mit höchsten Ambitionen gestartete Projekt Nabucco aufgegeben worden. Die Pipeline sollte Erdgas aus Aserbaidschan nach Europa bringen.
Nun ruhen die Hoffnungen der Europäischen Union auf einem neuen Versuch: Im Juli 2013 ging die Trans-Adriatic-Pipeline des BP-Konzerns in Planung. Ziel ist der Transport von Erdgas aus dem kaspischen Raum über Griechenland und Italien nach Europa. Die Entschlossenheit ist groß, das Risiko des Scheiterns auch. Ein weiteres Projekt, South Stream, steht längst wieder zur Disposition. Die Leitung hätte ohnehin die Abhängigkeit von Moskau erhöht, weil sie auch aus russischen Quellen gespeist werden sollte.
Für die vielversprechendste Möglichkeit braucht Deutschland ebenfalls Geduld. Das Zauberwort heißt Flüssiggas. Darin liegt tatsächlich Potential, Russlands Rolle zu verkleinern - zumindest theoretisch. Lange wurde Gas vorwiegend über Pipelines transportiert. Sie eignen sich allerdings aus technischen und politischen Gründen nicht dafür, Gas über sehr lange Strecken zu transportieren. Für die Lieferungen in weit entfernte Länder wird deshalb auf eine andere jüngere Technik gesetzt. Man verflüssigt das Gas, indem man es stark auf minus 164 Grad herunterkühlt und in komprimierter Form auf speziellen Schiffen transportiert. Im Empfängerland wird das Material wieder in Gas verwandelt und in das Leitungssystem eingespeist.