Deutsche-Bank-Prozess : Gestand Ex-Vorstand eine Falschaussage?
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Jürgen Fitschen hinter Josef Ackermann im Landgericht München. Bild: dpa
Jürgen Fitschen kam im Deutsche-Bank-Prozess noch nicht an die Reihe. Dafür musste sich der frühere Rechtsvorstand Tessen von Heydebreck einer unangenehmen Befragung unterziehen. Der vierte Verhandlungstag endete in einem Tumult.
Der vierte Verhandlungstag im Strafprozess gegen den Ko-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Jürgen Fitschen und mehrere Ex-Manager des Geldhauses endete in einem kleinen Tumult. Ein Mikrofon nach dem anderen gab „seinen Geist auf“, wie der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer, Peter Noll, die technischen Pannen im Münchner Strafjustizzentrum am Dienstag resigniert kommentierte. Zudem brach abermals ein Disput zwischen allen Beteiligten darüber aus, dass die Staatsanwaltschaft noch immer nicht alle Akten gesichtet hatte.
Wegen des G-7-Gipfels habe die Polizei die Auswertung von Dokumenten noch nicht abschließen können, die die Rechtsabteilung der Bank zur Wirtschaftskanzlei Freshfields „geschafft“ habe, um sie dort zu verstecken, sagte Oberstaatsanwältin Christiane Serini. „Lügenmärchen“, konterte Fitschen-Verteidiger Hanns Feigen. Und Noll wies darauf hin, dass es sich immerhin noch um 6 Gigabyte handele, die die Strafverfolger in ihren noch laufenden Ermittlungsverfahren unter anderem gegen Zivilanwälte aus der Kanzlei Hengeler Mueller sichten müssten. Wenn darin wichtige Beweismittel auftauchten, müsse er mit seinem Prozess wieder ganz von vorne anfangen, warnte er unter Hinweis auf das Gebot eines rechtsstaatlichen Verfahrens.
Am Vormittag musste sich zunächst der frühere Rechtsvorstand der Bank, Tessen von Heydebreck, einer unangenehmen Befragung unterziehen. Mit vielen Erinnerungslücken und teilweise etwas schwerfällig berichtete der Ruheständler zunächst davon, wie er 2002 in einem Moskauer Hotel zufällig jenes Fernsehinterview des damaligen Vorstandssprechers Rolf-Ernst Breuer sah, in dem dieser die Kreditwürdigkeit des Medienunternehmers Leo Kirch anzweifelte. „Scheiße“, habe er damals gedacht – so dürfe man nicht öffentlich über einen eigenen Bankkunden reden; und auch nicht später mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), mit dem sich Breuer über die Zukunft des Medienkonzerns beriet.
„Scheiße, Mist, Merde oder wie auch immer“, fasste Richter Noll dies zunächst wohlwollend zusammen – um dann aber von Heydebrecks Schilderung der anschließenden Vorstandssitzung anzuzweifeln, wonach die Bank kein Beratungsmandat von Kirch haben wollte. Eine spätere Einlassung, in der er sich selbst korrigierte, sei kaum anders zu werten als das „Geständnis einer Falschaussage“. Von Heydebreck will sich von Guido Kotschy und dessen Beisitzer im Zivilprozess am Oberlandesgericht, wo Kirch wegen des Breuer-Interviews mehrere Milliarden Euro Schadenersatz forderte, unter Druck gesetzt gefühlt haben. Dabei ging es um die Schlüsselfrage, ob die Bank von sich aus auf Kirch zugehen wollte – oder nur, um einen Interessenkonflikt zu verhindern, falls ein Außenstehender sie anheuern wollte. Er selbst sei immer „durchdrungen“ gewesen von der Überzeugung, dass man mit „diesem Mann“ keine Geschäfte mache, sagte von Heydebreck wiederholt.
Etwas eleganter, aber mitunter auch fast schlitzohrig parierte anschließend der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Börsig die bohrenden Fragen des Gerichts einschließlich einer Beisitzerin und einer Reserverichterin. „Das klingt für mich etwas verschwurbelt“, sagte Noll etwa, worauf Börsig nur antwortete: „Finden Sie?“ Dabei ging es um seine frühere Aussage, er habe damals nicht gemerkt, dass Breuer seinen Vorstandskollegen „Theater vorspielte“, damit Pläne für ein Kirch-Mandat nicht durchsickerten. „Unterstellen Sie mir keinen bösen Willen“, warf Noll später ein; er wolle nur die Nuancen in den verschiedenen Formulierungen im Vorstandsprotokoll, vor dem Oberlandesgericht und der Staatsanwaltschaft rekonstruieren. Auch er fühlte sich von dem Kotschy-Senat „ein klein bisschen hart angegangen“, erklärte Börsig, was Noll auf den Nenner brachte: „Antworten Sie mit ja oder nein: Schlagen Sie Ihre Frau immer noch?“
Kommende Woche geht es weiter. Dann will Börsig noch Fragen der Staatsanwälte beantworten; danach soll Fitschen „einvernommen“ werden. Wenn dann noch Zeit bleibt, soll Anklägerin Serini ihre Robe ausziehen und als Zeugin berichten, was Fitschen-Vorgänger Josef Ackermann einst ihr gegenüber ausgesagt hat. Dieser weigert sich bis auf weiteres, Fragen des Gerichts zu beantworten, und hat nur anfangs eine Erklärung abgegeben. Im Juli soll auch noch Kotschy vernommen werden, der die Bank einst zu Schadenersatz an Kirch verurteilt hat und den die Angeklagten angelogen haben sollen, um dies abzuwenden.