Mindestlohn ab 1. Januar : Wer wenig kann, kriegt ein Problem
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Geringqualifizierte könnten ausgerechnet durch den Mindestlohn im neuen Jahr ein Problem bekommen Bild: dpa
Von Neujahr an müssen mindestens 8,50 Euro pro Stunde gezahlt werden. Geringqualifizierte könnte das ihren Arbeitsplatz kosten.
Mitten in der Silvesternacht geht's los: Von 0.01 Uhr an gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro. Und die Arbeitgeber sind sich sicher, dass die neue Regelung erhebliche Konsequenzen haben wird. Nicht zuletzt wird der Mindestlohn Politik und Wirtschaft dazu zwingen, Geringqualifizierte sehr viel stärker als bisher zu fördern. Denn „ein zu hoher Mindestlohn ist ein Hindernis gerade für arbeitslose Geringqualifizierte“, heißt es in einem Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Um die Anzahl der Geringqualifizierten zu minimieren, müsse die Zahl der Schul-, Ausbildungs- und Studienabbrecher deutlich reduziert werden, verlangen die Arbeitgeber.

Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.
Dazu seien Reformen im Bildungssystem notwendig, beginnend bei der frühkindlichen und schulischen Bildung über die Berufs- und Hochschulausbildung bis hin zur Weiterbildung im Beruf. Die Integration von Geringqualifizierten verlange eine Strategie auf drei Handlungsfeldern: Der Zugang zu einfacher Arbeit müsse erleichtert werden, es dürfe keine Beschränkung flexibler Beschäftigungsverhältnisse geben. Qualifikationen, Kompetenzen und Talente müssten „sichtbar“ gemacht werden. Und auch bei der gezielten Förderung von arbeitslosen Geringqualifizierten müssten verstärkte Anstrengungen unternommen werden.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland zwar auf rund eine Million halbiert. Die Beschäftigungsaussichten Geringqualifizierter sind aber weiter deutlich schlechter als die qualifizierter Fachkräfte. Dabei liegt die Arbeitslosenquote von Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung bei 19 Prozent – fast viermal so hoch wie bei Personen mit Berufsabschluss und rund achtmal so hoch wie bei Akademikern. 2013 hatten 49 Prozent der Langzeitarbeitslosen, rund 515.000 Personen, keine abgeschlossene Berufsausbildung, davon hatte etwa ein Drittel nicht einmal einen Hauptschulabschluss.
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Auch die Arbeitgeber selbst versprechen deshalb mehr Engagement. In ihrem Papier heißt es, die Personalentwicklung solle sich stärker Geringqualifizierten widmen. „Dies gibt die Möglichkeit, neue Potentiale zu erschließen und zu entwickeln und dabei auch Menschen eine Chance zu eröffnen, die anderenfalls möglicherweise dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen wären.“ Schon bestehende, erfolgreiche Modelle von Teilqualifizierungen sollten ausgeweitet werden. Die Teilzeitausbildung biete Betrieben und jungen Menschen eine noch zu selten genutzte Möglichkeit, trotz Familienpflichten einen Berufsabschluss zu erhalten. Die Arbeitgeber betonen, es werde nicht gelingen, alle Betroffenen weiter zu qualifizieren. „Hier ist und bleibt die Aufnahme einer einfachen Tätigkeit der Schlüssel zur Überwindung oft verfestigter Arbeitslosigkeit“, heißt es. Einfache Arbeit werde in vielen Branchen gebraucht. „Die Gesellschaft sollte umdenken und den Beitrag von Menschen, die einfache Arbeit verrichten, besser wertschätzen.“
Obwohl Unternehmen oft händeringend nach Fachkräften suchen, bleiben Stellen unbesetzt, weil es an den gewünschten Qualifikationen fehlt. Von den gemeldeten Stellen seien derzeit nur etwa 15 Prozent Helfertätigkeiten, schreiben die Arbeitgeber. Gleichzeitig kämen rund 45 Prozent der Arbeitslosen nur für eine solche Tätigkeit in Frage. Außerdem gebe es Arbeitslose, die zwar über einen Berufsabschluss verfügten, die aber wegen langer Arbeitslosigkeit nur auf Helferniveau arbeiten könnten. Würden diese Personen hinzugerechnet, steige der Anteil Geringqualifizierter an allen Arbeitslosen auf 70 Prozent. Auf der anderen Seite sinke die Nachfrage nach Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten im Zuge von Technisierung und Globalisierung seit langem. So habe sich in der Industrie die Zahl der Arbeitsplätze, für die keine Berufsausbildung nötig sei, seit 1994 auf weniger als 2 Millionen halbiert. Im Dienstleistungssektor sei die Zahl um 20 Prozent auf rund 3,6 Millionen gesunken.
Den meisten Geringqualifizierten gelinge der Einstieg in den Arbeitsmarkt aber eben nur über einfache Tätigkeiten, für die nur geringe Löhne gezahlt würden, damit sie sich rentierten. Wegen des Mindestlohns sei jedoch nicht mehr mit einem Aufbau von einfachen Jobs zu rechnen. Umso wichtiger sei es, den Zugang zu einfacher Arbeit zu erleichtern und Qualifikationen zu verbessern.