Christine Lagarde : Frankreichs Finanzministerin lässt es nicht
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Christine Lagarde Bild: REUTERS
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat mit Empfehlungen an deutsche Politiker schon mehrfach die Gemüter erhitzt. Vor allem ihre Kritik am deutschen Export sorgte für Verschnupfung. Jetzt stärkt sie den deutschen Gewerkschaften den Rücken: Höhere Löhne in Deutschland seien gut für Europa.
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat abermals Empfehlungen zur deutschen Lohnpolitik abgegeben und damit indirekt die Gewerkschaften unterstützt. „Ich habe immer gesagt, dass sich die Erholung der deutschen Wirtschaft für den Euro-Raum nur auszahlt, wenn die Arbeiter durch Lohnerhöhungen davon profitieren und es zu Konsum kommt“, sagte die Ministerin in einem Fernsehinterview des französischen Senders LCI am Montagabend. Sie begrüße die Sympathie, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Lohnforderungen der Gewerkschaften aufbringe. Von einer Erhöhung der Löhne in Deutschland könne der ganze Euro-Raum profitieren, sagte Lagarde.
Im vergangenen März hatte die französische Finanzministerin in einem Gespräch mit einer britischen Zeitung die deutschen Exportüberschüsse und die geringen Lohnanstiege kritisiert, die diese ermöglichten. Es wäre gut, wenn Deutschland „ein klein bisschen“ für einen stärkeren Binnenkonsum tun könne. Diese Äußerungen lösten eine Welle der Kritik in Deutschland aus, aber auch etliche Zustimmung im Ausland. Für das deutsch-französische Verhältnis stellte die Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell eine Belastungsprobe dar.
Die französische Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 0,6 Prozent gewachsen - die deutsche Wirtschaft um 2,2 Prozent. Für das gesamte Jahr rechnet die französische Regierung mit einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes von 1,4 Prozent; die Deutsche Bundesbank schätzt das deutsche Wirtschaftswachstum auf 3 Prozent. Mitte August hatte Lagarde zum hohen Quartalswachstum Deutschlands gesagt: „Es ist eine hervorragend, wenn es Deutschland gut geht, dann kann Frankreich mehr verkaufen“.
Die tariflichen Monatsverdienste der deutschen Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2009 erstmals seit sechs Jahren stärker als in Frankreich gestiegen. Sie erhöhten sich um durchschnittlich 2,7 Prozent gegenüber 2008, während es in Frankreich nach Angaben des staatlichen Statistikamtes Insee zu einem Anstieg von 2,2 Prozent kam. Die Verbraucherpreise blieben in diesem Jahr weitgehend stabil. Für alle Beschäftigten, also auch jene des öffentlichen Dienstes, kam Insee zu dem Ergebnis, dass die Löhne in Deutschland 2009 um 2,5 und in Frankreich um 2,1 Prozent stiegen.
Anders als in Deutschland findet die Lohnfindung in Frankreich weitgehend auf betrieblicher Ebene statt. Für einige Branchen gibt es betriebsübergreifende Tarifverträge. Flächentarifverträge wie in Deutschland sind aber unbekannt. Als Sockel der Lohnverhandlungen dient der staatlich festgesetzte und im ganzen Land gültige Mindestlohn. Er wird jedes Jahr automatisch erhöht; der Erhöhung liegt gesetzlich vorgeschrieben die Inflation und allgemeine Lohnsteigerungen zugrunde. Unter Präsident Nicolas Sarkozy verzichtete die Regierung in den vergangenen drei Jahren darauf, den Smic-Empfängern einen zusätzlichen Zuschlag zu gewähren, mit dem sich die Politiker früher beliebt machen wollten. Derzeit liegt der Stundenlohn auf Smic-Grundlage bei 8,86 Euro brutto.