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Jens Spahn im Interview : „Die Deutschen sind satt geworden“

... gehört dazu. Die sollte mal zehn Jahre nicht geändert werden. Die Häuser aus 2016 sind ja nicht schlecht. Stattdessen sollte Planungsrecht verbessert werden, damit zügig neue Baugebiete erschlossen werden. Nicht nur in Berlin gibt es in der Innenstadt viele freie Flächen. Dass da nicht gebaut wird, ist keine Frage des Geldes. Das ist schlechte Planung. Im Übrigen ist in SPD-geführten Ländern die Grunderwerbsteuer fast doppelt so hoch wie in Bayern. Beim bezahlbaren Wohnraum geht es nicht zuerst um neue Transfers. Effizienter wäre es, wenn wir Bauen und Kaufen selbst günstiger machen.

Zurück zur „Transfer-Union“: CDU und CSU wollen Wähler mit neuen Sozialleistungen beglücken.

Jeder freut sich, wenn er beim Kita-Platz Geld spart oder mehr Rente bekommt. Aber am Ende muss es einer zahlen. Die entscheidende Frage bleibt: Wie ermöglichen wir es möglichst vielen Menschen, besser für sich selbst zu sorgen?

Der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wirft Spahn eine „heimatvergessene“ Politik vor.
Der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wirft Spahn eine „heimatvergessene“ Politik vor. : Bild: dpa

Für viele Frauen sind kostenlose Kita-Plätze dazu eine Voraussetzung.

Die Erwerbsquote der Frauen ist enorm gestiegen, auch weil es mehr Kita-Plätze gibt. Bei mir im Münsterland ist der Anteil der Kita-Plätze von 0 im Jahre 2000 auf heute mehr als 30 Prozent gestiegen. Ich freue mich darüber. Aber wir sollten nicht einem durchökonomisierten Familienbild hinterherlaufen mit dem Ideal, Mütter und Väter möglichst schnell zurück in den Job zu bringen. Unser großes Credo bleibt die Wahlfreiheit der Eltern. Wer sich für die schnelle Rückkehr in den Beruf entscheidet – fein. Doch wer der Familie Vorrang geben will, sollte das ebenso tun können. Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften hat in manchen Kreisen inzwischen mehr Akzeptanz als die vollzeiterziehende Mutter. Beides hat Respekt verdient. Mehr Family-Mainstreaming statt immer nur Gender-Mainstreaming wäre mal was.

Das sagen Sie als bekennender Schwuler. Aber das wichtigste Thema scheint ja die Frage zu sein, ob es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht: Haben wir ein Gerechtigkeitsproblem?

Wir haben ein Problem mit der Wahrnehmung von Wirklichkeit. Über 90 Prozent der Weltbevölkerung würden morgen mit jedem in Deutschland tauschen. Wir haben Millionen neue Jobs, Lohn- und Rentensteigerungen, die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit, eine sehr hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren. 80 bis 90 Prozent der Deutschen sagen, ihnen persönlich gehe es gut oder sehr gut. Ich wage zu behaupten: Nie ging es dem Land besser.

Dennoch bezweifeln viele, dass es gerecht zugeht – und Ihre politische Konkurrenz profitiert davon offenbar.

Die Sozialromantiker bei uns führen doch keine Gerechtigkeitsdebatte. Sie kennen nur ein Zauberwort: mehr Umverteilung. Das ist der völlig falsche Ansatz. Viel wichtiger ist die Chancengerechtigkeit. In Deutschland verlassen jedes Jahr 45.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Um die müssen wir uns kümmern und in der Schulpolitik umdenken. Nicht jeder muss Abitur machen. In meinem Heimatkreis Borken haben wir die geringste Abiturquote in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung tut deshalb so, als lebten dort Hinterwäldler. Aber nein, wir haben auch die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Viele junge Menschen machen eine Lehre. Das ist eine deutsche Stärke, die wir betonen sollten. Unser Silicon Valley ist das Sauerland. Denn neben den wichtigen Impulsen für mehr digitale Start-ups bleiben die innovativen Handwerker und Mittelständler dort und anderswo unsere Stärke.

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