CDU-Hoffnungsträger im Porträt : Das Spahn-Prinzip
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Der Finanzpolitiker Jens Spahn (CDU) hat große Pläne – und verfolgt diese mit Kalkül. Bild: Jens Gyarmaty
Der Finanzpolitiker Jens Spahn rebelliert mit kalkulierten Angriffen gegen die Kanzlerin – und ist damit so präsent wie niemand sonst in der CDU. Trägt ihn diese Taktik ins Kanzleramt?
Jens Spahn ist in diesen Tagen eigentlich überall. In Talkshows tritt er auf, im Radio lässt er sich interviewen, im nordrhein-westfälischen Wahlkampf eilt er von Termin zu Termin. Mit dem Ruf nach einem Islamgesetz beherrschte er wochenlang die Einwanderungsdebatte, in die Leitkultur-Debatte des Innenministers stimmte er ein, den sozialdemokratischen Außenminister kritisierte er für die Bereitschaft, mehr Geld nach Brüssel fließen zu lassen.
Zwischendurch fand er noch Zeit, schlecht verdienenden Leiharbeitern bei Maybritt Illner die Vorzüge dieser Beschäftigungsform nahezubringen. Die Themen sind vielfältig, es ist das Spektrum eines Generalisten aus der politischen Führungsebene.
Spahns Geschäftsmodell ist die Dissidenz, die Abweichung, die einen jüngeren Politiker erst sichtbar macht. Er kritisierte 2008 die Rentenerhöhung der großen Koalition, er setzte sich 2015 von der Flüchtlingspolitik Angela Merkels ab und nervt sie seit Jahren mit Parteitagsanträgen: mit der Abschaffung der kalten Progression bei der Einkommensteuer, mit der Begrenzung des Flüchtlingszustroms, mit einem Bekenntnis gegen höhere Steuern – und zuletzt mit der Abkehr von der doppelten Staatsbürgerschaft, von der sich Merkel gleich wieder distanzierte. Und er putschte sich 2014 per Kampfabstimmung ins Parteipräsidium, gegen den Gesundheitsminister und Merkel-Vertrauten Gröhe.
Spahn treibt es nicht zum Äußersten
Seine Kritiker in der Partei weisen gern darauf hin, dass er damit so richtig erst nach der vorigen Bundestagswahl angefangen hat, als er gegen viele Erwartungen bei der Ämtervergabe leer ausging, weder Gesundheitsminister wurde noch CDU-Generalsekretär. Sie ziehen Parallelen zwischen ihm und dem früheren Fraktionschef Friedrich Merz, der gegen die Parteivorsitzende stichelte und 2002 im Machtkampf mit ihr unterlag.
Oder zum Rheinländer Wolfgang Bosbach, dem Innenexperten, der ebenfalls lange vergeblich auf ein Ministeramt hoffte, dann alle Rücksichten auf die Parteilinie fallenließ, seinen Ruhm in den Talkshows genoss und im Bundestag gegen die Kanzlerin stimmte. Bosbach tritt für den Bundestag nicht mehr an, auch wenn er in Nordrhein-Westfalen noch eifrig Wahlkampf machte.
Der Platz in den Talkshows wird also frei, und viele, denen die Linie der Kanzlerin nicht passt, hoffen auf einen Nachfolger. Auf Spahn. Im vorigen Jahr schon löste er Bosbach in der Rangliste der häufigsten Talkshow-Gäste ab. Dort steht er jetzt auf Platz fünf, gleichauf mit der gleichfalls nicht öffentlichkeitsscheuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Aber der Münsterländer, der an diesem Dienstag erst 37 Jahre alt wird, weiß um die Gefahren. „Jens Spahn ist Jens Spahn“, sagt er auf die Frage nach möglichen Vorbildern und Parallelen nur. Im Gegensatz zu Bosbach, der im Herbst mit 65 Jahren in Rente geht, will er in der Politik noch etwas werden. Also treibt er es nicht zum Äußersten. Er biegt dort wieder ein, wo es machtpolitisch für ihn und die Partei gefährlich werden kann. Und er sucht sich die Themen für seine Provokationen neuerdings lieber dort, wo es zwar viel Lärm gibt, aber vorerst nichts Konkretes folgt.