Beschäftigung : Alle finden Arbeit. Nur die Langzeitarbeitslosen nicht
- -Aktualisiert am
Eine Million Langzeitarbeitslose gab es im Januar - Tendenz steigend Bild: dpa
Die Beschäftigung in Deutschland steigt, aber die Arbeitslosigkeit sinkt nicht. Vor allem die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im internationalen Vergleich hoch. Gibt es Leute, die zu nichts zu gebrauchen sind?
Die Präsentation der Arbeitslosenstatistik zählt schon seit längerem zu den angenehmeren Aufgaben einer deutschen Arbeitsministerin. Jeden Monat aufs Neue darf sie verkünden, dass mehr Menschen eine Beschäftigung haben als ein Jahr zuvor. Im Januar 2014 waren nur 3,14 Millionen Menschen ohne Arbeit, für den Wintermonat ein bemerkenswert niedriger Wert.

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen lag zuletzt bei 42,1 Millionen, davon 29,8 Millionen in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Das sind Rekordwerte, die nicht mal während des Wirtschaftswunders in den fünfziger und sechziger Jahren erreicht wurden - als Deutschland noch geteilt war und weniger Frauen arbeiteten.
Jeder dritte Arbeitslose ist ein Langzeitarbeitsloser
Wäre da nicht ein dunkler Fleck in der Statistik, der auf dem monatlichen Datenblatt mit den „Eckwerten zum Arbeitsmarkt“ gar nicht erst auftaucht: Allen Beschäftigungsrekorden zum Trotz steigt die Zahl der Langzeitarbeitslosen wieder leicht an. Im Januar hatten exakt 1.085.817 Menschen in Deutschland seit mindestens einem Jahr keine Arbeit, 20.879 mehr als ein Jahr zuvor. Jeder dritte Arbeitslose ist in Deutschland also ein Langzeitarbeitsloser. Das ist im internationalen Vergleich ein hoher Wert.
Selbst die Kanzlerin ließ das Problem in ihrer Regierungserklärung nicht unerwähnt, bei allem Selbstlob über Deutschlands guten Zustand. Die steigende Zahl der Langzeitarbeitslosen bereite ihr „schon Sorge“, sagte sie. „Dem müssen wir zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit entgegenwirken.“ Für ein Land, das aus demographischen Gründen der Vollbeschäftigung entgegensieht, ist das Phänomen doppelt problematisch: Die Langzeitarbeitslosen kosten nicht nur Geld, sie fehlen auch als dringend benötigte Arbeitskräfte für die Wirtschaft.
„Multiple Vermittlungshemmnisse“
Einfach wird die Abhilfe nach Ansicht der Experten nicht. Die meisten der Betroffen haben gleich mehrere Handicaps auf dem Arbeitsmarkt, nicht nur eines. Von „multiplen Vermittlungshemmnissen“ spricht der Soziologe Mark Trappmann, Professor an der Universität Bamberg und Bereichsleiter am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Fortgeschrittenes Alter, schlechte Sprachkenntnisse, fehlende Abschlüsse, schlechte Gesundheit, auch Drogenprobleme oder hohe Schulden: Mindestens bei der Hälfte der Langzeitarbeitslosen kommen zwei oder drei dieser Probleme zusammen. Auch Alleinerziehende haben es schwer, trotz Kita-Ausbau. Solange es in Deutschland immerhin noch zwei Millionen Kurzzeit-Arbeitslose gibt, bedienen sich die Betriebe lieber in diesem Reservoir und machen um die Problemfälle einen großen Bogen.
Auch Zuwanderer aus den europäischen Krisenländern und Frauen, die in wachsender Zahl arbeiten gehen, sind für Unternehmen allemal attraktiver, zumal sie meist gut ausgebildet sind. Deshalb lassen selbst Firmen, die lauthals über Fachkräftemangel klagen, die Langzeitarbeitslosen derzeit noch links liegen. Rund zwei Drittel der Betriebe sortiert solche Bewerbungen sofort aus. „Es ist ein Fehler zu sagen: Wir schauen uns Langzeitarbeitslose gar nicht erst an“, sagt Trappmanns Nürnberger Forscherkollege Martin Dietz, auch wenn er die Schwierigkeiten durchaus sieht.