Bargeld-Debatte : Deutschland als „Hort der Kriminellen“
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Wer große Beträge bar zahlt, zahlt verdächtig. Bild: dpa
Das Finanzministerium plädiert für eine Obergrenze für Bargeld-Zahlungen von 5000 Euro. Schäubles Finanzstaatssekretär Michael Meister warnt, ohne eine solche Obergrenze, würde die Geldwäsche hierzulande stark zunehmen.
Das Bundesfinanzministerium verstärkt in der Debatte über Bargeld-Beschränkungen den Druck, eine Obergrenze für Barzahlungen einzuführen. Dabei wird auch rhetorisch aufgerüstet. Deutschland sei „ein Hort der Kriminellen“, weil es keine Obergrenze habe, sagte der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) am Sonntagabend in der Fernsehsendung „Anne Will“. Deutschland sei eines von nur sieben der 28 EU-Länder, die keine Bargeld-Obergrenzen hätten. Damit sei es für Kriminelle und Geldwäscher besonders attraktiv. Zugleich betonte Meister, dass keinerlei Absicht bestehe, Bargeld völlig abzuschaffen. Das Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) setzt sich für eine EU-weite einheitliche Obergrenze ein. Es plädiert, wie zuvor schon die SPD, für ein Barzahlungslimit von 5000 Euro. In Frankreich gilt seit kurzem eine Obergrenze von 1000 Euro, Italien hat das Limit von 1000 Euro gerade auf 3000 Euro heraufgesetzt.
Schon seit einiger Zeit dringen Polizeibehörden auf eine Beschränkung von hohen Barzahlungen, die ihrer Ansicht nach eine große Rolle bei illegalen Transaktionen spielen. Zudem sollten die größten Geldscheine, vor allem der 500-Euro-Schein, abgeschafft werden. Müssten Verbrecher auf kleinere Scheinen umsteigen, hätten diese mehr Volumen und wären auffälliger, so das Argument. Das für Banknoten zuständige EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch zeigte sich noch vor kurzem aber nicht überzeugt und forderte „handfeste Beweise“ für die These, dass Bargeld vor allem von der organisierten Kriminalität genutzt werde. Inzwischen hat der Rat der Europäischen Zentralbank indes beschlossen, das Auslaufen des 500-Euro-Scheins konkret zu planen. Ein Großteil dieser Scheine läuft im Nicht-Euro-Ausland um.
Eine vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebene Studie des Hallenser Rechtswissenschaftlers Kai Bussmann kam zu dem Ergebnis, dass in Deutschland jährlich Geldwäsche im Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro und wahrscheinlich mehr als 100 Milliarden Euro betrieben werde. Am größten sei das Risiko im Immobiliensektor, gerne genutzt würden auch Treuhandkonten, der Kunsthandel, Spielautomaten, Online-Glücksspiele, Hotels und Gastronomiebetriebe. Nicht alle diese Geldwäschemethoden haben nur mit Bargeld zu tun. Dennoch forderte Bussmann in seiner Studie eine Barzahlungsobergrenze zwischen 2000 und 5000 Euro. Andersfalls ziehe Deutschland weiterhin wie ein „Magnet“ Schwarzgeld an. Allerdings gibt es auch Kritik an den Berechnungen. So wurde bemängelt, dass der Wissenschaftler sich bei seiner Studie auf eine Befragung von Personen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen stützt, die über ihre Geldwäsche-Verdachtsfälle oberhalb der heute geltenden Grenze von 15000 Euro berichten. Für die Studie rechnet Bussmann die geringe Zahl an Verdachtsmeldungen aus dem Nicht-Bankenbereich hoch und kam so zu einem „Dunkelfeld“.
Der ehemalige Finanzminister Theo Waigel (CSU), der die Bargeldobergrenze bei 5000 Euro ablehnt, zweifelte in der Talkshow von Anne Will die Ergebnisse der Studie an. Er forderte, dass Schäuble noch andere Gutachten einholen sollte. FDP-Chef Christian Lindner lehnt ebenfalls Bargeld-Grenzen als freiheitseinschränkend ab. Kriminologe Bussmann kritisierte die FDP deshalb gegenüber dieser Zeitung als „Steuerkriminalitätsförderungspartei“. Auch die AfD mobilisiert nun gegen Bargeld-Einschränkungen. Das Argument der Kriminalitätsbekämpfung sei nur vorgeschoben, sagte das AfD-Vorstandsmitglied Alice Weidel am Montag. In Wahrheit gehe es darum, schrittweise das Bargeld ganz abzuschaffen. Das sei die Voraussetzung dafür, dass die Zentralbanken negative Zinsen auf allen Konten durchsetzen könnten.
Dieses Argument hat man auch schon von renommierten Ökonomen gehört, etwa dem früheren IWF-Chefvolkswirt Kenneth Rogoff. Mit der Bargeld-Abschaffung könne man sowohl die Drogenkriminalität bekämpfen als auch die Nullzinsgrenze unterschreiten, sagte er. Auch der „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger hat sich für eine Abschaffung von Bargelds als „Anachronismus“ ausgesprochen, um Negativzinsen möglich zu machen.