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Nach dem Referendum : Wie schlimm ist das für Italien?

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Eine Statue vor dem Finanzministerium in Rom trägt ein Buch mit der Aufschrift „Finanze“ in ihren Händen. Bild: dapd

Italien hatte in den vergangenen 70 Jahren mehr als 60 verschiedene Regierungen. Auch deswegen halten viele Beobachter eine große Panik im Land und an den Finanzmärkten für unwahrscheinlich.

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          Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi tritt zurück und noch ist nicht klar, wer wie auf ihn folgt. Als wahrscheinlich gilt, dass Staatspräsident Sergio Mattarella eine Übergangsregierung einsetzt. Ob diese bis zum nächsten regulären Wahltermin im Frühjahr 2018 im Amt bleibt, darüber gibt es ebenfalls muntere Spekulationen - dafür spricht zumindest, dass das italienische Parlament das Wahlrecht erneuern muss. Außerdem wird dazu in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres ein wichtiges Gerichtsurteil erwartet. All das braucht Zeit.

          Hat Italien diese Zeit? Das Land ist mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung hoch verschuldet. Die Arbeitslosigkeit ist gerade unter jungen Italienern hoch, das Wirtschaftswachstum gering. Die Renditen an den Anleihemärkten sind zuletzt gestiegen, im Bereich von Schuldtiteln mit zehnjähriger Laufzeit auf ungefähr 2 Prozent.

          Beispiele Belgien und Spanien

          Einiges spricht dafür, dass die im Vorfeld gelegentlich angedachte, nächste große Finanzkrise ausbleibt. So sehen das zumindest Fachleute in den Banken, die sich mit der Entwicklung der europäischen Wirtschaft beschäftigen. „Ich würde am heutigen Tag nicht das Wort Eurokrise in den Mund nehmen“, sagte beispielsweise Thomas Gitzel, Ökonom der VP Bank: „Italien dürfte jetzt eine Technokraten-Regierung bekommen. Das muss nichts Schlechtes bedeuten. Übergangsregierungen in Europa haben manchmal mehr hinbekommen als reguläre Regierungen.“

          Tatsächlich gibt es dafür einigermaßen prominente Beispiele. Belgien etwa hatte lange Zeit keine Regierung. Auch die spanische Wirtschaft hat sich weiter von ihrer schweren Krise erholt, obwohl das Land mehrere Parlamentswahlen brauchte, um endlich wieder eine Führung zu bekommen - der alte Ministerpräsident Mariano Rajoy ist bekanntlich der neue geworden.

          Italien selbst wurde infolge der Finanzkrise auch schon von „Technokraten“ regiert. Wirtschaftsprofessor Mario Monti übernahm Ende des Jahres 2011 die Regierung und blieb für gut anderthalb Jahre im Amt. Ein Name, der heute im Zusammenhang mit einer Übergangsregierung immer wieder fällt, ist der des ebenfalls parteilosen italienischen Finanzministers Pier Carlo Padoan.

          Ohnehin sind gerade die Italiener gewohnt, dass ihnen ziemlich plötzlich eine Regierung abhanden kommen kann. Das Land hatte in den vergangenen 70 Jahren mehr als 60 verschiedene Regierungen - offensichtlich gibt es Strukturen darunter (Finanzministerium, Schuldenverwaltung, Notenbank?), die dafür sorgen, dass die Wirtschaft dennoch nicht abstürzt.

          Italien sei nun weder auf dem Weg aus der EU noch aus der Europäischen Währungsunion, findet Holger Sandte von der Bank Nordea. „Damit das realistisch würde, müsste die Fünf-Sterne-Bewegung die nächste Wahl gewinnen, die Verfassung ändern, damit ein Euro-Referendum möglich würde und es gewinnen.“ Und weiter: „All das ist weit weg. Italien und die EU werden den gestrigen Rückschlag überleben.“

          Ein Problem bleiben die italienischen Banken. Ihre Kapitalbasis muss um Milliarden Euro aufgebessert werden - allerdings  unabhängig vom Ausgang des Referendums. Auch ein mehrheitliches „Ja“ und ein weiter im Amt gebliebener Renzi hätten den Banken dies nicht abgenommen.

          „Natürlich ist es tragisch, dass die Italiener die Chance vertan haben, sich einen effizienteren parlamentarischen Entscheidungsprozess zu geben“, schreibt denn auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Von Panik an der Börse, oder einem „Übergreifen“ des Wahlergebnisses auf andere Länder ist an diesem Montag zumindest nichts zu merken. „Die Märkte werden diesen Ausgang verschmerzen. Sie haben aus den politischen Wendungen, die das Jahr 2016 bislang brachte, gelernt“, sagte Heinz-Werner Rapp, Chefanlagestratege von Feri.

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