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Studie der EU-Kommission : Armutseinwanderung nach Deutschland nicht belegt

Bulgarische Einwanderer warten in der Dortmunder Nordstadt auf einen Gelegenheitsjob Bild: Röth, Frank

Laut EU-Kommission entsteht durch den Zuzug von Rumänen und Bulgaren keine Mehrbelastung der Sozialsysteme. Die von deutschen Gemeinden und der Regierung beklagte Armutseinwanderung sei nicht belegt.

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          Die Europäische Kommission geht in der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung über die mutmaßliche Armutseinwanderung aus Osteuropa auf Konfrontationskurs. Sozialkommissar László Andor will Anfang dieser Woche in Brüssel mit einer neuen Studie belegen, dass der Zuzug von Menschen aus anderen EU-Staaten, allen voran Rumänien und Bulgarien keine Belastung für die Sozialsysteme der Gastländer darstellt. Die Studie lag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorab vor.

          Hendrik Kafsack
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Der Anteil von Zuwanderern aus anderen EU-Staaten an allen Empfängern von beitragsunabhängigen Sozialleistungen liegt nach der Studie in Deutschland – wie auch in Finnland, Frankreich, den Niederlanden oder Schweden – unter 5 Prozent. Insgesamt liege die Quote der nicht berufstätigen Einwanderer in der EU bei einem Prozent der Bevölkerung und sei in den vergangenen zehn Jahren nur geringfügig gestiegen.

          Weiter kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass 80 Prozent der nicht arbeitenden Zuwanderer in Haushalten lebten, in denen zumindest ein Familienmitglied einen Arbeitsplatz hat. Hauptmotivation für den Umzug sei die Suche oder der Antritt einer neuen Arbeitsstelle. Auffällig ist, dass zwar nach wie vor die Zuwanderung von Osteuropäern nach Westeuropa überwiegt, aber seit dem Ausbruch der Krise auch immer mehr Menschen von Süd- nach Nordeuropa ziehen. Der Anteil der EU-Zuwanderer hat sich im vergangenen Jahrzehnt von 1,3 Prozent auf 2,6 Prozent der EU-Bevölkerung verdoppelt. Zugleich ist der Anteil der nicht arbeitenden Zuwanderer innerhalb der EU zwischen 2005 und 2012 von 47 auf 33 Prozent gesunken.

          Kommissar fordert gesetzlichen Mindestlohn

          EU-Kommissar Andor hatte zuletzt in einem Gespräch gesagt, dass er keinen Beleg für eine übermäßige Belastung der deutschen Sozialsysteme sehe. Die große Mehrheit der Rumänen und Bulgaren arbeite und trage zum Wachstum Deutschlands bei, weil sie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahle und in Deutschland Geld ausgebe. Die gezahlten Sozialleistungen fielen im Vergleich damit viel kleiner aus. Auslöser der Debatte sind Klagen deutscher Gemeinden über zunehmende Fälle von Einwanderern aus Rumänien sowie Bulgarien – zumeist Angehörige der Minderheit der Roma – die nach Deutschland kämen, um Sozialleistungen zu beantragen.

          Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte die Europäische Kommission mehrfach aufgefordert, sich damit zu beschäftigen. Ähnliche Klagen gibt es aus Großbritannien und den Niederlanden. Die EU-Innenminister wollen das Thema an diesem Dienstag debattieren. Ihm sei klar, dass es in manchen Bezirken teils unhaltbare Zustände gebe, sagte Andor. Diese rührten aber auch daher, dass in einigen Branchen miserable Arbeitsbedingungen herrschten. „Etwa in der Fleischindustrie, in der viele Osteuropäer zu Niedrigstlöhnen arbeiten“, sagte er. Die Bundesregierung müsse daher einen gesetzlichen Mindestlohn beschließen.

          EU-Diplomaten gaben zu, dass das Bundesinnenministerium das Problem der mutmaßlichen Armutseinwanderung nur schwer belegen kann. Konkretere Zahlen gibt es allenfalls aus einigen Städten. In Berlin ist die Zahl der Sozialleistungsanträge von Rumänen und Bulgaren von 2011 auf 2012 um knapp 38 Prozent gestiegen.

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