Pläne der Bundestagsfraktion : Union schmiert Zuckerbrot für Arbeitslose
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Keine Peitsche: Gibt es bald Belohnungen für Arbeitslose, die sich besonders eifrig um eine Stelle bemühen? Bild: ddp
Wer sich als Hartz-IV-Bezieher besonders eifrig um Arbeit bemüht, könnte künftig dafür belohnt werden. Ersetzen neue Förderbetriebe bald die umstrittenen Ein-Euro-Jobs?
In der Unionsfraktion im Bundestag gibt es Überlegungen, den heftig umstrittenen Sanktionskatalog für Hartz-IV-Bezieher um ein System von Prämien und positiven Anreizen zu ergänzen. Neben Leistungskürzungen für Langzeitarbeitslose, die Arbeit verweigern oder Termine im Jobcenter versäumen, könnten es damit künftig auch Belohnungen für diejenigen Arbeitslosen geben, die sich besonders eifrig um eine erfolgreiche Rückkehr in den unsubventionierten Arbeitsmarkt bemühen. Der Vorschlag ist Teil eines Positionspapiers zu einer Weiterentwicklung des Hartz-IV-Systems, über das Vertreter des Sozial- und Wirtschaftsflügels der Union derzeit beraten. Das Papier unter dem Titel „Arbeitsmarktpolitik 2020 – Schritt in die Zukunft“, liegt dieser Zeitung vor.
„Das erreichen von Zielen oder Teilzielen, die (...) in Richtung Eingliederung in Arbeit führen, sollte durch konsequente Anreize gefördert werden“, heißt es darin. Solche Ziele könnten etwa erfolgreich absolvierte Fortbildungen oder Coachingeinheiten sein. In einem ersten Schritt solle in Modellprojekten praxisnah erprobt werden, inwieweit auch solche positiven Anreize „die Chancen auf einen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt erhöhen“, heißt es in dem Papier.
Der Vorschlag gehört zu einem Dutzend von Reformansätzen, die in dem Papier skizziert sind. Ein anderer zielt darauf, die sogenannten Arbeitsgelegenheiten („Ein-Euro-Jobs“) in der bisherigen Form abzuschaffen und durch einen neuen Förderansatz im Form sogenannter Integrationsbetriebe abzulösen.
„Leistung belohnen – Anreize ergänzen Sanktionen“
Ausgangspunkt der Überlegungen, die derzeit zwischen Sozial- und Wirtschaftspolitikern abgestimmt werden, ist ein Reformauftrag aus dem Koalitionsvertrag. Dort hatten Union und SPD vereinbart, die Grundsicherung für Arbeitssuchende, also das Hartz-IV-System, solle „verstärkt auf das Ziel ,Vermeidung von Langzeitleistungsbezug‘ ausgerichtet werden.“ Hintergrund ist, dass sich ungeachtet der insgesamt guten Entwicklung am Arbeitsmarkt dennoch Langzeitarbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren eher weiter verfestigt hat.
Die in dem Positionspapier formulierten Überlegungen unter der Kapitelüberschrift „Leistung belohnen – Anreize ergänzen Sanktionen“ sind indes auch vor dem Hintergrund der jüngsten koalitionsinternen Debatte über den Sanktionskatalog für Hartz-VI-Bezieher bemerkenswert. Damals hatten sich Wirtschaftspolitiker mit scharfen Worten gegen angebliche Pläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gestellt, Strafen für „Drückeberger“ zu lockern.
Hintergrund war damals ein Papier aus dem Ministerium mit Vorschlägen zur Entbürokratisierung des Hartz-IV-Systems, darunter auch einem Vorschlag zur Straffung des Sanktionskatalogs. Dieser hätte in manchen Fällen zu einer Lockerung von Sanktionen geführt, in anderen zu einer Verschärfung. Angesichts der hitzigen Debatte hat Nahles die Arbeiten an dem Entbürokratisierungsgesetz jedoch zurückgestellt.
Langzeitarbeitslosen müssen Anreize gesetzt werden
Die Überlegungen für ein Reformgesetz, das die Förderinstrumente für Langzeitarbeitslose effektiver machen soll, laufen bisher unabhängig davon. In der kommenden Woche werden sie im Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestages ein Thema sein. Der Eckpunkte-Entwurf aus der Union, an dessen Erarbeitung der baden-württembergische CDU-Sozialpolitiker Kai Whittaker maßgeblich beteiligt ist, dient der Vorbereitung dieser Reform.
In dem Papier werden weitere „Fehlanreize“ im heutigen Regelwerk aufgezeigt. So müsse dringend sichergestellt werden, dass Arbeitslose, die einer Berufsausbildung oder Weiterqualifizierung nachgehen, keine „finanzielle Schlechterstellung“ mehr fürchten müssen. Dies sei bisher nicht selten der Fall. Besonders weitreichende Überlegungen betreffen die Zukunft der Ein-Euro-Jobs.
Hier haben die Sozialexperten der Problem ausgemacht, dass viele der Förderstellen im Ergebnis die Chancen auf eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gar nicht steigern. Zwar seien sie geeignet, um etwa Langzeitarbeitslose mit überwundenem Suchtproblem wieder an einen strukturierten Tagesablauf zu gewöhnen. Andererseits aber steckten oftmals auch Langzeitarbeitslose viel zu lange in ihnen sinnlos erscheinenden Tätigkeiten fest und würden dadurch demotiviert, so die Überlegung.
Arbeitslose sollen Steuervorteile für Unternehmen bringen
Als besseren Weg skizziert das Papier eine Förderung unter dem Begriff „Integrativer Arbeitsmarkt“, der eine praxisnahe Arbeit ermöglichen soll. Hartz-IV-Bezieher, mehr als zwei Jahre arbeitslos sind und mehrere Vermittlungshemmnisse haben, sollen dabei in sogenannten Integrationsbetrieben beschäftigt werden – gemeinnützigen Betrieben, die im Grundsatz am regulären Markt agieren, aber gewisse Abgaben- und Steuervorteile erhalten, wenn sie einen vorgegebenen Anteil von Förderbedürftigen beschäftigen.
„Arbeitsmarktferne Parallelwelten dürfen nicht länger gefördert werden“, heißt es zur Begründung. Der Vorstoß richtet sich auch gegen andere Reformkonzepte, die meist unter dem Titel „Dritter Arbeitsmarkt“ für Arbeitslose mit großen Vermittlungshemmnissen diskutiert werden. Diese Varianten seien nicht nur teuer, sondern führten überdies dazu, die Betroffenen dauerhaft in einer Förderwelt jenseits des Arbeitsmarkts „festzusetzen“.