Arbeitsmarkt : Hunderttausende Scheinselbständige in Deutschland
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Berufsmesse „Chance“ in Sachsen-Anhalt: Berufseinsteiger sind häufiger scheinselbständig. Bild: dpa
Die Zahl der Scheinselbständigen wächst. Fachleute haben nun untersucht, wer besonders betroffen ist. Und auch, wie sich das im Einkommen niederschlägt.
Nicht jeder offiziell selbständige Unternehmer agiert wirklich unabhängig am Markt. Wer sich in zu große Abhängigkeit eines Kunden begibt, gilt daher als scheinselbständig. Einer neuen Studie des staatlichen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge gab es nach dieser engen juristischen Definition im Jahr 2014 rund 235.000 dieser Personen in Deutschland.
Nimmt man eine etwas weitere Abgrenzung, die zusätzlich Chancen und Risiken der Selbständigen abbildet, steigt diese Zahl laut Schätzungen auf mehr als 430.000. Das waren etwas mehr als in der Vorgängerstudie aus dem Jahr 1995.
Unter Lkw-Fahrern fiel es auf
Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass sowohl die Zahl aller Erwerbstätigen als auch die der Solo-Selbständigen seither deutlich gestiegen ist. Damals hatte die rot-grüne Bundesregierung per Gesetz Abgrenzungskriterien für Scheinselbständigkeit definiert, deren Anwendung sich jedoch in der Praxis als schwierig erwies.
Anlass für Debatten waren Fälle von Ausgründungen von zuvor festangestellten Lastwagenfahrern gewesen, die anschließend jedoch ausschließlich für den alten Arbeitgeber weiterfuhren. Dieser sparte sich fortan die Arbeitgeberbeiträge und verlagerte unternehmerische Risiken wie Krankheit auf die Fahrer.
Die neue Studie zeigt jetzt aber, dass nicht qualifizierte Facharbeiter besonders stark unter den Scheinselbständigen vertreten sind, sondern vor allem Berufseinsteiger und Geringqualifizierte. Demnach haben Erwerbstätige unter 25 Jahren ein um 6 Prozent höheres Risiko als eine Vergleichsgruppe von 35- bis 44-Jährigen.
Das Fehlen eines beruflichen Abschlusses erhöht das Risiko einer scheinselbständigen Beschäftigung um 3 Prozent, haben die Wissenschaftler herausgefunden. Auch Migranten und Frauen (je 2 Prozent) tragen ein höheres Risiko. Und für Personen, die zuvor arbeitslos waren, steigt mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit das Risiko einer scheinselbständigen Beschäftigung um etwa ein Prozent je Jahr der Arbeitslosigkeit, heißt es.
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Die Scheinselbständigkeit schlägt sich auch auf das Einkommen nieder. Die Einkommensdifferenz beträgt rund 20 Prozent gegenüber abhängig Beschäftigten und 22 Prozent gegenüber den „echten“Selbständigen.