Arbeitsmarkt : Die Langzeitarbeitslosigkeit in Amerika nimmt zu
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Anstehen für einen Job: Erstmals seit April sind wieder mehr als 15 Millionen Amerikaner arbeitslos Bild: AFP
Gute Wirtschaftsdaten haben die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert. Inzwischen sind 15 Millionen Amerikaner arbeitslos. Dauert die wirtschaftliche Erholung weiter an, könnte die Quote noch steigen.
Die Hoffnungen auf eine stärkere Belebung am amerikanischen Arbeitsmarkt haben am Freitag einen Dämpfer erlitten. Im November stieg die Zahl der Beschäftigten (ohne Landwirtschaft) um 39.000, teilte das Arbeitsministerium mit. Analysten hatten ein Plus von 140 000 erwartet. Die Arbeitslosenquote stieg von 9,6 auf 9,8 Prozent. Erstmals seit April sind wieder mehr als 15 Millionen Amerikaner arbeitslos.

Korrespondent für Wirtschaft und Politik in Japan mit Sitz in Tokio.
Zuletzt bessere Wirtschaftsdaten und ein starkes Beschäftigungsplus im Oktober von revidierten 170.000 Stellen hatten Erwartungen geweckt, dass die stockende Wirtschaftsbelebung sich endlich beschleunige. Diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Manche Analysten betonten, nach dem guten Oktober sei ein Rückschlag zu erwarten gewesen. Es sei noch zu früh, um von einer Wende zu sprechen. Private Unternehmen schufen nur 50.000 Stellen; im öffentlichen Sektor strichen vor allem Kommunen wegen ihrer knappen Kassen Stellen.
Sorge um Langzeitarbeitslose
Besondere Sorge bereitet den Amerikanern die Langzeitarbeitslosigkeit. 6,3 Millionen Menschen oder 41,9 Prozent aller Arbeitslosen suchen seit mehr einem halben Jahr eine Stelle. Seit 1948 lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen noch nie so hoch wie in den vergangenen Monaten. Der Vorsitzende der amerikanischen Notenbank Fed, Ben Bernanke, warnte davor, dass diese Arbeitslosen ihre Chancen am Arbeitsmarkt dauerhaft verlieren könnten. Die Arbeitslosenquote könne noch steigen, wenn die schwache wirtschaftliche Erholung andauere, erklärte Bernanke.
Die Regierung dringt mit Nachdruck auf die Verlängerung eines 2008 eingeführten Sonderprogramms, unter dem Langzeitarbeitslose in derzeit 35 der 50 Bundesstaaten mit besonders hoher Arbeitslosigkeit bis zu 99 Wochen Arbeitslosengeld erhalten können. Die Zusatzleistungen, die entgegen des gewöhnlichen Vorgehens in Krisenzeiten allein von der Bundesregierung finanziert werden, endeten in dieser Woche. Wird das Programm nicht fortgeschrieben, werden schon im Dezember geschätzt 2 Millionen Langzeitarbeitslose ihr Arbeitslosengeld einbüßen. Bis November 2011 verlören etwa 6,7 Millionen Arbeitslose die Leistungen, sagte Austan Goolsbee, der Vorsitzende des Council of Economic Advisers, des präsidentiellen Sachverständigenrats, vor Journalisten. Der damit verbundene Nachfrageausfall würde nach Goolsbees Berechnungen rund 600.000 Arbeitsplätze kosten. Solche Kalkulationen sind unter Ökonomen allerdings sehr umstritten.
Höchstens halbes Jahr Arbeitslosengeld
Die Republikaner sperren sich bislang gegen eine abermalige Verlängerung der erweiterten Arbeitslosenunterstützung. Sie fordern aus Sorge um die steigende Staatsverschuldung, dass die Mehrausgaben einer Verlängerung um ein Jahr von geschätzten 65 Milliarden Dollar durch Minderausgaben an anderer Stelle finanziert werden - so wie es Obama eigentlich für alle Staatsausgaben predigt. Manche Ökonomen und republikanischen Politiker kritisieren auch, dass verlängerten Unterstützungszahlungen Arbeitslose von der Stellensuche abhalten. Die Regierung hält dem entgegen, dass derzeit auf fünf Arbeitssuchende nur eine freie Stelle kommt.
Normalerweise erhalten Arbeitslose in Amerika höchstens ein halbes Jahr lang Arbeitslosengeld, das aus Beiträgen der Unternehmen finanziert wird. Die Zahlungen werden von den Bundesstaaten geleistet; ersetzt wird knapp die Hälfte des früheren Einkommens. Der durchschnittliche Arbeitslosen bekommt so derzeit rund 300 Dollar je Woche oder 1200 Dollar im Monat.
Geld für Essen vom Staat
Ohne Arbeitslosenunterstützung bleibt Amerikanern als wichtigste Möglichkeit einer sozialen Absicherung, vom Staat Geld für Essen zu erhalten. Das „Food-Stamp“-Programm heißt zwar nicht mehr so, weil es die Hilfe mittlerweile per elektronischer Geldkarte gibt und nicht mehr per Lebensmittelkarte. Die Leistungen aber sind geblieben und sie wurden mit dem Konjunkturpaket von Obama noch um fast 14 Prozent ausgedehnt. Eine vierköpfige Familie mit einem Monatseinkommen von weniger als 2389 Dollar kann bis zu 668 Dollar Essensbeihilfen erhalten. Alleinstehende mit weniger als 1174 Dollar Monatseinkommen bekommen 200 Dollar.
Parallel mit der Wirtschaftskrise ist die Zahl dieser Bedürftigen drastisch gestiegen. Nach den letzten verfügbaren Zahlen vom August erhielten 42,4 Millionen Menschen oder rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung Essenszuschüsse. 2007, vor der Wirtschaftskrise, waren es nur 26,3 Millionen Menschen. Zu dem drastischen Anstieg trug bei, dass mit dem Schwenk auf die Geldkarte das Stigma verloren ging, mit Essensmarken einzukaufen. Die Geldkarte ist beim Gebrauch an der Ladenkasse von herkömmlichen Kredit- oder Debitkarten nicht zu unterscheiden.