Umstrittene Prämie : 400.000 Familien beziehen Betreuungsgeld
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Eltern mit Tochter: Fürs Glück auf dem Spielplatz zahlt der Staat 150 Euro im Monat. Bild: dpa
Das Betreuungsgeld ist umstritten und wird von Gegnern als „Herdprämie“ geschmäht. Doch immer mehr Eltern nehmen es in Anspruch – vor allem in Westdeutschland. Am Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Zukunft der umstrittenen Leistung
Immer mehr Eltern nehmen das umstrittene Betreuungsgeld in Anspruch. Im vierten Quartal des Vorjahres bezogen bundesweit 386.483 Eltern Betreuungsgeld, wie aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Im dritten Quartal 2014 bekamen einer früheren Erhebung zufolge 317.219 Eltern die Leistung, im zweiten waren es noch rund 224.400.
Betreuungsgeld können Eltern seit August 2013 beantragen, wenn sie ihr Kind unter drei Jahren nicht in eine Kita oder zu einer Tagesmutter geben. Die Leistung ist bis heute umstritten. Gegner bezeichnen die Unterstützung als „Herdprämie“, mit der Mütter aus konservativer Überzeugung von der Rückkehr ins Arbeitsleben abgehalten werden sollen.
Der neuesten Statistik zufolge beziehen vor allem Mütter die Leistung: 94,7 Prozent waren es zwischen September und Dezember. Die meisten männlichen Bezieher lebten demnach in Bremen und Berlin (je 9,1), in Bayern waren es mit 3,1 Prozent am wenigsten. Die Prämie war von der im Freistaat regierenden CSU durchgesetzt worden.
Vor allem in Westdeutschland beantragen Eltern das Betreuungsgeld
Insgesamt bezogen wesentlich mehr Eltern aus Westdeutschland Betreuungsgeld als solche aus den neuen Bundesländern: Hier waren es nur rund 27.000.
Seit dem 1. August 2014 erhalten Eltern 150 Euro pro Monat und Kind, davor waren es 100 Euro gewesen.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) geht dennoch davon aus, dass das Betreuungsgeld in diesem Jahr abermals weniger in Anspruch genommen wird als vorgesehen. Ihr Haus habe bereits im vergangenen Jahr das zur Verfügung stehende Geld um 100 Millionen Euro gesenkt, sagte die Ministerin im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks. „Und wir rechnen auch damit in diesem Jahr.“ Der Puffer, der somit entstehe, könne beispielsweise in die Entlastung von Alleinerziehenden fließen.
Das Bundesverfassungsgericht will am Dienstag klären, ob die umstrittene Familienleistung Bestand haben kann. Die Normenkontrollklage gegen die bundesweit geltende Regelung hat der Hamburger Senat eingereicht. Er hält das Betreuungsgeld politisch für falsch, weil es Anreize für Frauen schaffe, zu Hause zu bleiben.
Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Ersten Senat geht es unter anderem um die Frage, ob der Bund überhaupt für ein solches Gesetz zuständig sei. Das Grundgesetz akzeptiere bewusst unterschiedliche, regional verankerte Wertvorstellungen, argumentiert der Stadtstaat.
Zudem sieht die Hansestadt den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Die finanzielle Förderung für ein Aufwachsen außerhalb öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen sei ein Kriterium, das mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Der Senat hatte seine Klage im Februar 2013 eingereicht.
„Meine kritische Haltung zum Betreuungsgeld ist bekannt, und es wäre jetzt unglaubwürdig, so zu tun als ob sich das geändert hätte“, sagte Ministerin Schwesig dem Deutschlandfunk. Doch das Gericht entscheide nicht darüber, ob es sinnvoll sei, das Geld dafür auszugeben. Es gehe darum zu prüfen, ob das Gesetz verfassungsgemäß sei und der Bund die Möglichkeit habe, solche Gesetze auf den Weg zu bringen. „Unabhängig davon, wie man zum Betreuungsgeld steht, müssen wir ein Interesse haben, dass wir bundesweit weiter Gesetze für Familien auf den Weg bringen können.“