Vertrag von Maastricht : Helmut Kohls zweifelhaftes Erbe
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Mit seiner Prophezeiung „Am Ende wird der Strom Europas auch Großbritannien erfassen“, lag Helmut Kohl wohl falsch. Bild: FRITS WIDDERSHOVEN
Vor 25 Jahren beschlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs in Maastricht den Start in die Währungsunion. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt – die Befürchtungen schon.
Am hohen Ton mangelte es danach nicht: „Wenn dieses Europa 1997 oder 1999 eine gemeinsame Währung von Kopenhagen bis Madrid, von Den Haag bis Rom haben wird, wird niemand in einer europäischen Amtsstube den Prozess der politischen Einigung aufhalten können“, rief Helmut Kohl am 13. Dezember 1991 im Bundestag aus, kurz nachdem er vom Gipfeltreffen in Maastricht zurückgekehrt war. Ein gutes Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung war der Bundeskanzler gewiss, in der niederländischen Grenzstadt abermals den Mantel der Geschichte ergriffen zu haben.
Und in der Tat: „Maastricht“ war historisch. Auf dem Gipfel am 9. und 10. Dezember 1991 taufte sich die Europäische Gemeinschaft in „Europäische Union“ um und erschloss sich weitere Zuständigkeiten auf unterschiedlichsten Politikfeldern. Vor allem aber beschlossen die Staats- und Regierungschefs den Einstieg in eine Wirtschafts- und Währungsunion. Es war – trotz vieler Entscheidungen seither – die bedeutendste Weichenstellung in der europäischen Nachkriegsgeschichte. Das ist heute, ein Vierteljahrhundert später, klarer als damals. Und das ist nicht positiv gemeint.
Jubiläum : 25 Jahre Vertrag von Maastricht
Kein Platz für ökonomische Gegenargumente
Die Bundesregierung bewarb den Start in die Einheitswährung, die später „Euro“ genannt werden sollte, vor allem mit ökonomischen Argumenten. Reisende müssten im Ausland kein Geld mehr wechseln, für Unternehmen entfielen im grenzüberschreitenden Verkehr die Wechselkursrisiken, Handel und Kapitalverkehr stiegen im integrierten Währungsraum, für die Vollendung des Binnenmarkts sei eine Einheitswährung „zwangsläufig“ nötig, Währungsspekulationen werde ein Ende gesetzt.
Die ökonomischen Gegenargumente wurden unter den Tisch gekehrt. Entscheidend waren die möglichen wirtschaftlichen Vorteile für das Zustandekommen der Währungsunion freilich ohnehin nie. Diese war und ist kein ökonomisches, sondern ein politisches Projekt. Kohl sah die Einheitswährung als Instrument auf dem Weg in eine möglichst unumkehrbare politische Union. Das wirtschaftliche Mittel, die Einheitswährung, sollte das Ziel, die politische Einigung, sicherstellen.
Euroraum am Rand der Spaltung
Heute ist Europa von der politischen Einheit so weit entfernt wie lange nicht. Die ökonomischen Verwerfungen haben den Euroraum an den Rand der Spaltung gebracht. Allein in dieser Woche hat sich in Rom, Frankfurt und Brüssel wieder einmal gezeigt, dass sich die Währungsunion seit Ausbruch der Euro-Krise im Daueralarmzustand befindet.
Da droht ein innenpolitisches Ereignis – das Verfassungsreferendum in Italien – gleich die Stabilität des ganzen Euroraums zu gefährden, die Europäische Zentralbank treibt deshalb mit der Verlängerung ihres Staatsanleihen-Aufkaufprogramms keine Geld-, sondern Staatsfinanzierungs- und -rettungspolitik, und wieder einmal haben die Finanzminister den Konkurs des griechischen Staates etwas weiter in die Zukunft geschoben.
Gemeinsame Währung lange geplant
Der Euro weckt längst keine Hoffnungen auf die politische Einheit mehr, ganz im Gegenteil. In der offiziellen Politik weckt er nur noch die Befürchtung, dass sein Scheitern Europa scheitern lasse. So hat Kohl seine Vision wohl nicht gemeint, wegen des Euros sei die politische Einigung unaufhaltsam. Längst ist es umgekehrt. Der Euro ist eine wesentliche Ursache dafür, dass in fast allen Mitgliedstaaten die Populisten stark geworden sind. Die AfD ist als Ein-Themen-Partei gegen den Euro gestartet. Beppe Grillo und Marine Le Pen, aber auch die spanischen und griechischen Linken halten die Einheitswährung für schuldig am wirtschaftlichen Niedergang ihrer Länder. Ganz falsch ist das nicht.