1,5 Milliarden Euro : Regierung zapft Gesundheitsfonds für Asylbewerber an
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Flüchtlinge müssen infolge ihrer Aufnahme in Unterkünfte in Deutschland auf Tuberkulose untersucht werden - wie etwa hier im Medical Center im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Bild: dpa
Die Krankenkassen sollen zusätzliche Mittel aus angesparten Beiträgen bekommen. Dass das nur eine einmalige Sache ist, scheint sogar die Regierung zu bezweifeln.
Die Bundesregierung zapft im Wahljahr 2017 die Reserven des Gesundheitsfonds für die Versorgung von Asylbewerbern an. Zur Deckung ihrer Gesundheitskosten sollen die Kassen einmalig eine Milliarde Euro erhalten.
Das Geld wird der Liquiditätsreserve des Fonds entnommen. Weitere 500 Millionen Euro sollen die Kassen für den Ausbau der Telematik im Gesundheitswesen erhalten.
Das hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch mit dem Gesetz zur Finanzierung der Psychiatrie beschlossen. Der Fonds wird aus Beiträgen der 53 Millionen Kassenmitglieder und Zuweisungen des Finanzministers gespeist. Er verteilt die Mittel an die Kassen. Laut Regierung verfügt er über knapp 10 Milliarden Euro an flüssigen Mitteln, wovon 4,2 Milliarden Euro Mindestrücklage sind.
Nur einmalig?
Aus den freien Mitteln sollen den Kassen laut Kabinett „einmalig 1,5 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zugeführt“ werden. Mit dem Geld würden Mehrbelastungen zur Gesundheitsversorgung von Asylberechtigten finanziert.
Ob es dabei bleibt, scheint der Regierung zweifelhaft. Knapp heißt es mit gleich zwei einschränkenden Bedingungen: „Bei erfolgreicher Integration in den Arbeitsmarkt und der damit perspektivisch zu erwartenden Mehreinnahmen handelt es sich dabei um vorübergehende finanzielle Auswirkungen.“
Ein Hoffnungswert ist auch die Finanzspritze für E-Health und Telematik. In den vergangenen zehn Jahren wurde hier schon eine Milliarde Euro versenkt. Weitere 500 Millionen Euro stellt Gesundheitsminister Gröhe (CDU) für „Investitionen in den Aufbau einer modernen und innovativen Versorgung“ bereit, die mittel- bis langfristig zu einer qualitativ besseren sowie wirtschaftlicheren Versorgung führen solle.
Die so mit eineinhalb Milliarden Euro zusätzlich bedachte Krankenversicherung – die Finanzspritze entspricht einem Zusatzbeitrag von mehr als 0,1 Punkten – ist darüber aber nur mäßig begeistert. Es handle sich nicht um ein Geschenk der Regierung, sagte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Kassen. Schließlich sei das Geld von den Beitragszahlern zuvor selbst eingezahlt worden. Die Politik habe durch ihre „kostspieligen Reformen der letzten Jahre wesentlich dafür gesorgt, dass die Zusatzbeiträge trotz sehr guter Einnahmen weiter steigen müssen“.
Nach Rechnung der Kassen müssen sie 2017 trotz Finanzspritze um 0,2 Punkte steigen. Die Kassen wollen zwar auch das Geld aus dem Fonds verteilen, aber nicht nach Gusto der Regierenden, sondern nach klaren Regeln.
Nicht debattiert wird die Frage, wer für die Asylbewerber aufkommen soll. Sind sie einmal anerkannt, werden sie automatisch und mit vollem Leistungsanspruch gesetzlich versichert. Wie für die Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhalten die Kassen für jeden Asylbewerber einen monatlichen Zuschuss von 90 Euro. Der Betrag reicht mutmaßlich nicht, um die Kosten zu decken. Offensichtlich aus politischen Gründen wollen die Kassen eine Debatte darüber vermeiden, dass Zusatzbeiträge „wegen der Asylbewerber“ steigen. Sie haben stattdessen den Finanzminister aufgerufen, „eine ausgabendeckende Finanzierung zu gewährleisten“.