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Große Koalition : Scharfe Kritik an Steuerplänen der Sondierer

Warnt vor einer verschlechterten Wettbewerbsfähigkeit durch einen höheren Spitzensteuersatz: Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Bild: dpa

CDU und SPD erwägen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Wirtschaftsweise und Unternehmensvertreter warnen vor den Folgen.

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          Die drohende Erhöhung des Spitzensteuersatzes durch eine wiederbelebte große Koalition schreckt Wirtschaftsvertreter und Wirtschaftsweise auf. Denn eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer trifft immer Personengesellschaften, Einzelunternehmer und Selbständige. Darauf weist Lars Feld, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, hin. „Eine solche Erhöhung schadet daher dem Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte er dieser Zeitung. Feld stellte die rhetorische Frage, ob SPD und Union mitbekommen hätten, dass in den Vereinigten Staaten eine große Steuerreform umgesetzt werde, die zu großen Entlastungen der Unternehmen führe. „Wollen SPD und Union weiterhin eine rückwärtsgewandte Nabelschau zur Besänftigung gefühlter Ungleichheit betreiben?“

          Manfred Schäfers
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

          Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung forderte Union und SPD auf, vorsichtig zu handeln. „Ein höherer Spitzensteuersatz wäre ein Signal, profitable Investitionen nicht in Deutschland, sondern im Ausland anzusiedeln und Gewinne aus existierenden Investitionen durch Steuergestaltung ins Ausland zu verlagern“, urteilte Präsident Clemens Fuest. „Deutschland sollte alles daransetzen, die Wettbewerbsfähigkeit seines Steuersystems zu verbessern, statt sie zu verschlechtern“, mahnte er.

          SPD fordert Ausgleich

          Wie berichtet, ist die SPD nicht bereit, nur die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz zu verschieben, von der an der Spitzensteuersatz greift. Bisher gehen bei einem zu versteuernden Einkommen von 55.000 Euro von jedem zusätzlich verdienten Euro 42 Cent an den Fiskus. CDU, CSU und SPD erwägen die Grenze für diesen Spitzensteuersatz auf 60.000 Euro zu erhöhen. Die SPD pocht darauf, im Gegenzug Steuerzahler mit höheren Einkommen stärker als bisher zu belasten.

          Schon in ihrem Wahlprogramm hatte die SPD vorgeschlagen, den Spitzensteuersatz zum Ausgleich für diese Verschiebung bis auf 45 Prozent steigen zu lassen. Bei etwas mehr als 76.000 Euro Jahreseinkommen würde er dann greifen. Außerdem wollten die Sozialdemokraten die sogenannte Reichensteuer für Einkommen von mehr als 250.000 Euro von 45 Prozent auf 48 Prozent erhöhen.

          Hat Deutschland ein Ausgabenproblem?

          Die oberen 10 Prozent der Steuerzahler sorgen schon heute für mehr als 55 Prozent des Aufkommens aus der Einkommensteuer. Diese Gruppe dürfte noch mehr zahlen, wenn sich die Sozialdemokraten mit ihren Vorstellungen in den Sondierungsgesprächen durchsetzen sollten. Das Finanzministerium hat im Sommer das SPD-Modell einschließlich höherer Reichensteuer durchgerechnet. Anlass war eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Richard Pitterle. Insgesamt dürfte dieser Ansatz dem Fiskus etwa 1 Milliarde Euro einbringen. Stärker belastet würden nur die obersten 10 Prozent mit mehr als 71.300 Euro Jahreseinkommen, die fast 2,8 Milliarden Euro mehr zahlen müssten.

          Scharfe Kritik kam vom Verband der Familienunternehmer. „Im Jahr 2020 erreicht das deutsche Steueraufkommen etwa 825 Milliarden Euro. 2005 waren es nur 450 Milliarden Euro. Und unser Staat will mit dem Geld immer noch nicht auskommen?“, fragte Präsident Reinhold von Eben-Worlée. „Deutschland hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgaben- und vor allem ein Ausgeber-Problem.“ Länder wie Frankreich und England, denen es wirtschaftlich schlechter gehe, planten, die Steuerlast zu reduzieren. Auch die Vereinigten Staaten und China, die Hauptwettbewerber um Investitionen und Unternehmen, wollten Steuern senken. Nur die SPD propagiere Steuererhöhungen zu Lasten der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. „Hier geht die Kuh aufs Eis, bis es bricht“, so von Eben-Worlée.

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