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Gastbeitrag : Unser Finanzausgleich kann allen schmecken

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen) Bild: Frank Röth

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigt das Modell der Bundesländer: In der Politik geht es nicht ums Prinzip, sondern um Kompromisse.

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          Ludwig Erhard, der erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, sagte es so: „Ein Kompromiss ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen.“ In der Politik gilt es immer wieder, verschiedene Interessen unter einen Hut zu bekommen und dabei zum Teil weit auseinanderliegende Wünsche zu berücksichtigen. Das war zu Erhards Zeiten so, und es ist heute nicht anders.

          Seit mehr als drei Jahren haben wir über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern verhandelt, denn 2019 laufen die geltenden Gesetze aus. Wenn wir uns in diesem Jahr nicht einigen, wird es eng, rechtzeitig die neuen Regelungen auf den Weg zu bringen. In zähen und schwierigen Gesprächen haben sich alle 16 Länder vor einem halben Jahr auf ein Reformmodell verständigt. Als Ministerpräsident von Baden-Württemberg saß ich in vielen Runden mit am Tisch. Es war kein einfaches Unterfangen. Aber wir haben es geschafft.

          Ausblenden der politischen Wirklichkeit

          Jetzt gilt es mit dem Bund einig zu werden. Der ziert sich noch. Nachdem sich bei diesem schwierigen Thema alle Länder einig sind, wäre es verantwortungslos, wenn er einfach sagt: so nicht!

          Genau dafür haben die Wissenschaftler des „Kronberger Kreises“ vor einer Woche in der F.A.S. plädiert. Bei allem Respekt vor den Fachleuten: Sie blenden dabei die politische Wirklichkeit einfach aus. Aus dem universitären Elfenbeinturm blicken sie professoral auf unser mühsam gefundenes Ergebnis. Der von den Ländern gefundene Konsens ist Ausdruck der Disparitäten im bundesdeutschen Föderalismus – einem Föderalismus, der uns mehr als 60 Jahre Stabilität garantiert hat.

          Unser Modell tariert filigran die unterschiedlichsten Interessen der Länder aus, die nun mal aus sehr unterschiedlichen Strukturen und sehr unterschiedlicher Wirtschaftsstärke herrühren. Es berücksichtigt die finanzielle Überlastung der Südländer im derzeitigen Finanzausgleich ebenso wie die strukturell bedingte Wirtschaftsschwäche der fünf neuen Länder. Es berücksichtigt das Problem der Länder mit überschuldeten Kommunen ebenso wie die besondere Rolle der Stadtstaaten und die schwierige Situation der Länder mit einer Haushaltsnotlage. Vor allem berücksichtigt das Modell die Grundvoraussetzung: Keinem Land darf es schlechter gehen als heute.

          Reformmodell sieht keine Steuererhöhungen vor

          Zunächst einmal kritisiert der Kronberger Kreis, der Ländervorschlag gehe zu Lasten eines Dritten, nämlich des Bundes. Damit drohe ein Kuhhandel auf Kosten der Steuerzahler, weil der Berliner Finanzminister entweder Steuern erhöhen oder Ausgaben reduzieren müsse.

          Doch das Reformmodell der Länder sieht keine Steuererhöhungen vor. Wir wollen lediglich das Geld, das der Steuerzahler ohnehin Monat für Monat an den Staat gibt, anders auf die drei Ebenen verteilen: Bund, Länder und Kommunen. Durch die Schuldenbremse, die ab 2020 auch für die Länder gilt, wird die Quote der Staatsverschuldung sinken. Damit müssen die öffentlichen Haushalte weniger Geld für Kredite und Zinsen zahlen. Gerade deshalb muss es nicht zu Steuererhöhungen kommen.

          Die Feststellung der Wissenschaftler, der Bund müsse pro Jahr künftig 9,6 Milliarden Euro zusätzlich an die Länder zahlen, stimmt so nicht. Denn im Gegenzug entfallen bisherige Bundesförderungen in Höhe von rund 5,4 Milliarden Euro. Unter dem Strich belastet unser Reformvorschlag den Bund also nur mit 4,2 Milliarden Euro. Das ist gerade mal ein halbes Prozent des Steueraufkommens in Deutschland, das für 2020 auf 808 Milliarden Euro geschätzt wird. Als einen „Kuhhandel zu Lasten des Steuerzahlers“ kann man das wahrlich nicht bezeichnen.

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